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252 Zwischen zwei Revolutivnen. Wwhschafi. Eine rege Rcformthätigkcit wenigstens auf finanziellem und wirthschaft- i84i. lichcm Gebiet erhoffte man von der Erhebung des Freiherr» von Kübcck zum Hofkammcrpräsidcntcn, an Stelle des Rheinländers Eichhoff, ein Amt, mit dem namentlich die Leitung der Finanzen verbunden war. Ein Schneidcrsohn als Minister, wenn er auch schon seit Jahrzehnten auf höheren Verwaltungspostc» seine Fähigkeiten bewiesen und durch ein Adelspatcnt seine geringe Geburt ver hüllt hatte, war eine in dem hocharistokratischcn Oesterreich unerhörte Erschei nung. Allein die an diese Erhebung geknüpften Hoffnungen auf eine gründliche Reorganisation der Verwaltung wurden doch znm größten Theil getäuscht. Ein in den alten Traditionen der Finanzpolitik ergrauter Mann konnte vollständig neue Rcformwege nicht einschlagcn. Das herkömmliche Deficit, die stete Ver mehrung der schwebenden Schuld, die Agiotage und andere Uebel einer ungesun den Finanzwirthschaft wurden auch unter seiner Verwaltung nicht abgestcllt. Die Vermehrung der Einnahmen, die Kübcck durch Entwicklung des indircctcn Steuersystemes herbeiführtc, konnte mit den stets wachsenden Bedürfnissen doch nicht Schritt halten. Der Krebsschaden des vormärzlichen Oesterreich, die Finanznoth, war unheilbar. Der Charakter eines Reformators, den ihm die öffentliche Meinung gewissermaßen aufgezwungen, wohnte dem Minister Kübcck nicht bei, höchstens in untergeordneteren und nebensächlichen Dingen wurde die bessernde Hand angelegt. In manchen Zweigen der wirthschaftlichen Politik ge' schah Anerkennenswerthes; so war Oesterreich die erste Regierung, welche ein ausgedehntes Eisenbahnnetz auf Staatskosten baute. Das erstarrte Zoll- und Steuersystem aber wurde wenig reformirt. Die in den ersten vierziger Jahre» abgchaltenen Bcrathungen über Eintritt in den deutschen Zollverein, vor dessen gewaltiger wirthschaftlichcr und politischer Bedeutung man sich doch nicht ganz verschließen konnte, oder über einen österreichisch-italienischen Zollverein, führte» nicht zum Ziel. Die Schwierigkeiten und Unbequemlichkeiten durchgreifender Acw derungen schreckten diese träge unbewegliche Staatskunst nach kurzen Anläufe» immer wieder von energischen Reformen zurück. Das eingewurzelte Prohibitiv- und Absperrungssystem mit seiner Fesselung der wirthschaftlichen Kräfte und seinem schmachvollen Schmuggel behauptete den Sieg; einzelne Zollermäßigungen änderten wenig an dem Organismus. Allgemein im Volk, im bürgerlichen Mittelstand und selbst im Adel und mung. unter den Beamten wurde die Erkenntniß herrschend, daß das „System" in kür zester Zeit, unter dem ersten kräftigen Stoß zusammenbrechen müsse, daß es nicht die geringste nachhaltige Widerstandsfähigkeit besitze. Niemand hatte mehr Glauben an die Zukunft Oesterreichs; man lebte nur von einem Tag zu!» andern. Die Kritik und Opposition gegen alle öffentlichen Einrichtungen hatte auch bei den zahmen und „gemüthlichen" Oesterreichcrn seit dem Tode des alten Kaisers immer mehr Fortschritte gemacht. „Den Druck des Re' gierungssystems empfand allmählich jeder Einzelne als eine persönliche Btt'