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II. Gcschichtsleben in den Einzelstaaten (Deutschland). 243 nismns mit dem ganzen fanatischen Eifer des Renegaten hin. Die Aufhebung der Censurfreihcit für Besprechung der inner» Politik und die Einführung der Stockprügcl bezeichneten seinen Amtsantritt. Die bairische Censur war bald ebenso berüchtigt wie die österreichische; denn die Presse, war Abel's Grund satz, „ist eine feile Buhldirne, die Journalisten sind der Abschaum der Mensch heit". Cs kam vor, daß ein Ccnsor ein Gedicht strich, das aus der eigenen Sammlung des Königs war, was jener freilich nicht wußte. Görres, der da mals seine „historisch-politischen Blätter" herausgab und seine „christliche Mystik" schrieb, ein vielbesprochenes Buch voll des wunderlichsten und widerlichsten My- sticismus, das manche als Ausgeburt der Altersschwäche, manche als mephisto phelischen Hohn auffaßtcn, hatte sein Haus in München zum Sammelplatz der ganzen europäischen ultramontanen Bewegung gemacht, die schon damals mit unter in demokratischem Gewände anfzutrctc» liebte. Die Jesuiten, unter dem Namen Redemptoristen, gegen deren Aufnahme sich König Ludwig lange ge sträubt, kamen seit Ende der dreißiger Jahre zu immer größerer Macht, und mit ihnen ging der protestantische Pietismus unter dem Oberconsistorialpräsidenten Roth Hand in Hand. In den zehn Jahren der Abel'schen Regierung wurden die bairischen Klöster auf die ungeheure Zahl von eiuhundertzweiuuddreißig ver mehrt. Dem evangelischen Gottesdienst wurden trotz der verfassungsmäßigen Gleichberechtigung der Confessioncn oft genug Hindernisse bereitet, den protestan tischen Soldaten das Kniebeugen vor der Monstranz auferlegt, ein Befehl, der einen Sturm des Unwillens in ganz Deutschland erregte (S. 47). Der Pfarrer Rcdenbachcr, der hiergegen einen mannhaften Protest erließ, wurde mit einer Criminaluntersuchung und Gefängnißhaft gepeinigt. Im Jahre 1844 wurde der Gustav-Adolf-Verein verboten. Während für kirchliche und künstlerische Zwecke stets Geld genug vorhanden war, wurden productive Anlagen aufs äußerste vernachlässigt; die Beamten und Lehrer waren materiell unglaublich gedrückt und durch strenge Disciplin, letztere auch durch einen unwürdigen Studienplan, geistig gefesselt. Die Münchener Universität verkam wieder aufs traurigste; Männern wie Schelling und Franz v. Baader wurden die größten Schwierigkeiten in ihrer acadcnüschen Wirksamkeit bereitet. Auch für das Mili tärwesen hatte der König keinen Sinn; das bairische Heer stand an Ausrüstung und Kricgstüchtigkcit den meisten andern Contingcntcn nach. Man hatte vielfach gefürchtet, Abel werde das Beispiel des Königs von Das Abn-schc Hannover befolgen und die Verfassung aufhebcn. Das geschah nun freilich nicht, aber es wurde doch in ganz unconstitutioncllem Geist regiert. Der König war ein durchaus absolutistisch gesinnter Fürst, allein die äußeren konstitutio nellen Formen liebte er doch als Hülle seines autokratischen Regiments aufrecht zu halten. Er konnte dies um so eher, als er in den dreißiger und Vierziger- Jahren in seinen Kammern wenig Widerspruch fand. Die Stimmung war dumpf, gedrückt, resignirt. Die ohnehin gemäßigten und zahmen Kammern 16*