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II. GcschichtSlcben in den Einzclftaatcn (Deutschland). 241 in Untersuchung gezogen, auf die nichtswürdigslen Judicien hin zu einem Haupt der Rcvolutionspartei gestempelt und in langer, seine Gesundheit zerrüttender Hast gehalten, ein wahrhaft empörender Prozeß, der das ungeheuerste Aufsehen in ganz Deutschland erregte. Nach vierjähriger Gefangenschaft wurde Jordan, der im Kerker sein schneidendes Buch: „Die Jesuiten und der Jesuitismus" verfaßte, wegen „Nichtverhindcrung hochverräthcrischer Unternehmungen" zu fünf Jahren Festung verurthcilt, vom Oberappellationsgericht aber freigesprochcn. Der Prozeß trug mächtig dazu bei, den allgemeinen Ruf nach Reform des Gerichts verfahrens, nach Ocffentlichkcit, Mündlichkeit und Schwurgerichten, nach Besei tigung der Cabinetsjustiz und des Jnquisitionsverfahrcns zu verstärken. Wieder holte Kammcrauflösungcn und strafgcrichtliche Untersuchungen gegen Abgeordnete wegen ihrer Reden schüchterten Viele ein, so daß der Landtag sich die Schcffer'sche Wirthschaft meist gefallen ließ. Die hessischen Gerichte bewährten im Allgemeinen ehrenhafte Unparteiischkeit und Unabhängigkeit; dafür erhielten aber auch die Richter Verweise, Versetzungen und andere Strafen. Bei diesem System geschah für die geistigen und materiellen Interessen des Landes nicht das geringste; der einzige Zweck des Staates schien in dem kleinlichsten polizeilichen Treiben zu be stehen. Das ganze unwürdige System hat der vielverfolgte Wippermann in seinem Buch „Kurhcssen seit dem Freiheitskrieg", scharf gekennzeichnet. Als nach dem Tode Wilhclm's II. der Mitregent Friedrich Wilhelm I. die Regierung in eigenem Namen antrat, gab er die Absicht kund, Veränderungen in der Verfas- N°»br. 1847. sung vorzunehmen; allein der Landtag erklärte, daß der früher vom Kurprinzen auf die Constitution geleistete Eid für dessen ganze Lebensdauer verbindlich sei, und gegenüber dem allseitigen Widerstand, selbst bei dem Offiziercorps, das an seinem früheren Diensteid auf die Verfassung festhielt, scheiterte der Plan ciner Abänderung des Grundgesetzes. Die Februarrevolution brachte dann auch in diesen, schwergeprüften Lande bessere Zeiten, freilich nur von sehr kurzer Dauer. In Mecklenburg dauerte die Erstarrung des feudal-aristokratischen siM-si-n. Staatswesens mit seinen mühsam aufrecht erhaltenen mittelalterlichen Emrich- tungen, wie wir sie früher (XIV, 694) angedeutet, auch jetzt noch fort und das Adelsregimcnt bildete sich, wie wir später erfahren werden, zu immer größeren Härten und Mißbräuchen aus. Die freien Reichsstädte an der See gaben sich der Pflege ihres mäch-e>. Di-^ns-. tigen Handclswesens hin, sonderten sich wirthschaftlich von Deutschland ab und Hamburg» nahmen an dem politischen Leben der Nation wenig Antheil; die heißersehnte Reform der Stadtverfassungcn, die Erfrischung des engherzigen Patrizicrregi- ments kam bei der herrschenden Zeitströmung auch auf diesem republikanischen Boden nicht zur Ausführung. Die erste Handelsstadt Deutschlands, Ham burg, erlitt in diesem Zeitraum einen furchtbaren Schlag durch eine Feuers-^Ma> brunst, wie sie entsetzlicher kaum je eine Stadt betroffen. Ein Fünftel der ganzen Stadt ging in einem dreitägigen Brand in Flammen auf und noch wochenlang Weber, Weltgeschichte. XV. 16