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240 Zwischen zwei Revolutionen. nahm, vollendeten seine Schüler die Untergrabung der Verfassung, die er erfolg« reich eingcleitct. Männer wie Scheffer und von Hanstein suchten die ver fassungsmäßigen Rechte der Landstände auf das niedrigste Maß hcrabzudrückc», sanden aber auch an den Führern der Opposition, Wippermann, Henkel, Schomburg, dem Bürgermeister von Kassel, energischen Widerstand. Das ständische Budgetrccht wurde aufs gröbste mißachtet. Jahrelang schleppte sich der Streit um die sogenannte Rothenburger Quart hin, die Besitzungen einer ausgestorbencn hessischen Nebenlinie, welche die Regierung für das kurfürstliche Hausvermögen, die Stände für den Staat in Anspruch nahmen. Scheffer, die eigentliche treibende Kraft dieses ultrarcactionärcn Systems, verflieg sich bis zu Behauptungen, wie: die gesetzgebende Gewalt sei ein ausschließliches Recht des Landeshcrrn; wenn Etatssätzc von den Ständen abgclehnt waren, pflegte er zu erklären, die Summen würden einfach doch ausgegcbcn werden. Dabei behan delte er die Stände mit einer Mißachtung und Rohheit, die in ganz Deutschland empörte; das System der Jntcrpretirung und Verdrehung der Verfassung hatte er zu einer wahren Virtuosität ausgebildet. „Haffenpflug", sagt Wippermann in der „Allgemeinen Zeitung", „ging bei aller moralischen Verwerflichkeit der Mittel, mit denen seine gewaltsamen Schritte begleitet zu sein pflegten, von weittragenden Ideen aus und war immerhin als ein Staatsmann zu bezeichnen; Scheffer aber, der ihn zu copircn suchte, regierte durchgehends in der kleinlichsten Weise. Er hatte jenem seinem Meister nur Acußcrlichkcitcn abgesehen, hatte dessen Beispiel sich nur zum Sporn dienen laßen, sich in den äußersten Schroff heiten und Rücksichtslosigkeiten gegen die Landesvcrtretung zu ergehen. Ohne irgend höhere Ziele zu verrathcn, war Scheffer der vollendetste Vertreter jener überaus trau rigen Richtung einer kleinen Clique von Frömmlern, deren Gesichtskreis an den Grenzen des Kleinstaats ein Ende hatte. Diesem Fanatismus des Stillstands diente „die mon archische Regierung" des Kurfürsten in dem Sinn als Devise, daß damit der unberech tigt eingedrungenc Constitutionalismus unvereinbar sei. Dabei schien aber Scheffer der Muth zu fehlen sich zum Feinde jegliches festen Verfassungszustandes zu erklären, sondern er schien cs sich nur zur Lebensaufgabe zu machen, die seit Jahrhunderten be stehende, mit Fürst und Volk verwachsene, 183l nur in neue Formen gebracht! Verfassung zu untergraben. Das erschien wohl als lockendes, reiches Feld für seine Advocaten-Natur, und cs schmeichelte dies den Launen cincs Fürsten, welchen alle ver nünftigen Schranken gcnirtcn". k-s Mit der politischen Rcaction ging die kirchliche, sowohl katholischer als "evangelischer Richtung, Hand in Hand; an der Spitze des evangelischen Pietis mus standen der Gymnasialrector Vilmar in Marburg, Professor Bickel (nachher Justizminister) u. A. Die Mitglieder der kirchlichen Partei wurden überall bevorzugt; grimmige Verfolgungen ergingen auch über die Dcutschkatho- liken. Eine der schnödesten Thatcn dieses Systems war das Verfahren gegen den Abgeordneten Jordan, Professor der Rechte in Marburg, einen hervor ragenden Kämpfer der Opposition, einen freisinnigen und hochbegabten Mann, der einen von der Reaction in ganz Deutschland gefürchteten Namen hatte. Ium Es. Dieser Mann wurde vom Amte suspendirt und wegen versuchten Hochverraths