234 .4.. Zwischen zwei Revolutionen. treten konnte; aber noch einmal schreckte man vor dem Schritt zurück, das eigene persönliche Belieben zu beschränken und dem öffentlichen Rechte in Preußen eine un erschütterliche gesetzliche Grundlage zu geben. „Die Romantik dcS ungeschriebenen Rechts" bäumte sich in letzter Stunde noch einmal auf in ihrem Widerstande gegen das geschriebene Gesetz, „das Blatt Papier" und verkannte, daß ein mündig gewor denes Volk durch Gesetze regiert sein will, daß das allgemein verbreitete Streben nach verfassungsmäßiger Begrenzung der Regicrungsgcwalt und selbstthätigcr Thcilnahme des Volkes an den öffentlichen Angelegenheiten kein vorübergehender Wahn, sondern der mächtigste Gedanke unserer Zeit und zugleich das geschichtlich berechtigteste Postulat des deutschen Volksgeistes ist". 4. Mittlere und kleinere Staaten Norddeutschlands. 1> Sachs-». Im Königreich Sachsen hatte wie in andern deutschen Staaten, namentlich in denjenigen, die am weitesten hinter den Forderungen der Zeit und der öffentlichen Meinung zurückgeblieben waren, die Julircvolution aufrührerische Bewegungen im Gefolge. Längst war ja die reactionäre Cabinetspolitik des Grafen Ein siedel, die alle Freiheiten unterdrückte und selbst die materielle Wohlfahrt S-pibi. iss«, traurig verkommen ließ, allgemein verhaßt. In den ersten Septembertagen brachen in Leipzig Straßenunruhen aus, wobei die Wohnungen einiger miß liebigen Beamten deniolirt wurden; die Communalgarde stellte jedoch bald die Ruhe her. Aehnliche Auftritte fanden in Dresden statt, wo cs zu bedenklichen Cxceffcn und ernstlichem Handgemenge mit dem Militär kam. Um die Auf regung zu beschwichtigen, nahm Graf Einsiedel seine Entlassung und machte dem volksthümlicheren Bernh. von Lindenau Plaß, einem Mann von wohlwollen den und gemäßigt freisinnigen Bestrebungen, der manche heilsame Reform ins Leben rief. Der alte König Anton nahm seinen volksbeliebten Neffen Fried- T-Ptbr. 183«. rich August II. zum Mitregcnten an und entschloß sich aus der alten patriarcha lischen Staatsordnung in konstitutionelle Bahnen hinüberzulcnkcn. Es wurde Verfassung errichtet, die freilich in wesentlichen Punkten hinter den berech tigten Forderungen zurückblieb, doch aber die alten landständischen Grundsätze mit einigen Formen des modernen Repräsentativsystemes verband. Thatsächlich wurde der patriarchalische Absolutismus wenig genug eingeschränkt, und na mentlich so lange König Anton lebte, machte sich eine katholische Propaganda, deren Seele der apostolische Vicar Bischof Mauermann war, geltend, die das protestantische Volk aufs höchste erbitterte und schon bei der Jubelfeier der Augs- Jum Mo. burgischen Confessio» zu Unruhen geführt hatte. Die Verfassung stand vorerst nur auf dem Papier; in den Kammern zeigte sich sehr wenig politischer Fort schritt; schon die Wahlart nach den gesonderten Ständen der Rittergutsbesitzer, Stadtbürger, Bauern und Handelsleute verhinderte die Bildung einer wahren Volksrepräsentation. Zwei Versaffungsfreunde und bekannte Führer der Libe ralen, der Rechtsanwalt Moßdorf und der Kaufmann Bertholdt in Dresden, 1833. wurden in einem empörenden Gerichtsverfahren zu langer Kerkerhaft verurtheilt