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II. Geschichtslcben in den Einzelstaaten (Deutschland). 229 Behandlung von Seiten der Brodherrcn, durch Absperrung der benachbarten Länder und die übermächtige Loncurrcnz, namentlich des großen Industriestaats England, um ihr Brod gekommen oder in eine jammervolle Lage gerathen. Unsägliches Elend breitete sich in diesen armen Gegenden aus, wo andere Nah- rungszweige nur spärlich vorhanden sind, und trieb bald zu offenem Aufruhr und Landfricdensbruch. In Pcterswaldau und Langenbielau wurden einigen reichen hartherzigen Großindustriesten die Häuser und Fabriken zerstört; es kam zu blutigen Zusammenstößen mit dem Militär, ehe die Ruhe gcwaltthätig her- gestcstt werden konnte, ohne daß freilich den gerechten Ursachen dieser armen Be völkerung zur Unzufriedenheit abgcholfen worden wäre. Aehnliche Auftritte fanden auch in dem benachbarten Böhmen statt, und es gährte noch lauge nach in diesen Gegenden, eine Warnung an die Besitzenden vor dunkeln socialen Gefahren. Auch diese Ereignisse wurden, noch mehr als sie cs verdienten, zu großen communistischcn Verschwörungen aufgcbauscht, um eine Rechtfertigung für die Renction abzugeben. Allenthalben vermehrten Hungcrsnoth und Thcue- rung, Arbeitslosigkeit und Verarmung die tiesgähreude Mißstimmung, die ver nehmlich die Stürme des Jahres 1848 ankündigte. d. Die Verfassungsfrage und der vereinigte Landtag. Die Regierung Friedrich Wilhelm's III. war zu Ende gegangen, ohne BNdun^r-i daß in der rcichsständischen Frage das alte Versprechen Ungelöst worden, irgend AuMüss-. ein Fortschritt über die dürftige Gabe der Provinzialstände hinaus geschehen wäre. Man hatte auch iu dieser Beziehung viele Hoffnungen auf die neue Re gierung gesetzt. Hatte doch der Kronprinz sich wiederholt für die Erweiterung der landständischcn Rechte ausgesprochen und stets seine deutsch-nationale Gesin nung zur Schau getragen. Ganz Deutschland halte von ihm den Aufbau der preußischen, die Umgestaltung der deutschen Verfassung erhofft. Aber diese Hoff nungen wurden bald getäuscht. Was geschah, ivar nur eine gewisse Fortbil dung des proviuzialständischen Instituts, keineswegs ein entscheidender Schritt zu einem wirklichen Verfassuugsstaat und Rcpräsentativsyslcm. Ein leiser Fort schritt auf der coustitnliouellen Bahm konnte in der Verordnung über die Ein richtung der ständischen Ausschüsse der Provinziallandtage erblickt Ium. werden. Die Provinziallandtage dclcgirtcn danach je zwölf Ausschussmitglieder, zusammen also sechsuudueuuzig, von denen ans die vier Stände eine bestimmte Zahl kam, nmürlich sehr zu Gunsten des Adels, auf Kosten der städtischen und ländlichen Vertretung. Auf diese Weise sollte auch während der Zeit, wo die Provinziallaudtage nicht versammelt wären, ein ständisches Organ geschaffen werden, welches eine Ausgleichung der auf den verschiedenen Landtagen über ge-, setzgebecischc Fragen hervorgetrcteuen Meinungsverschiedenheiten vermitteln und auch über andere, den Provinzialstäuden nicht vorgelegte Gesetze beratheu sollte.