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II. Gcschichtslcben in den Einzelstaaten (Deutschland). 225 ging scheinbar auf die volksthümlichen Forderungen ein. Die Unmöglichkeit, das Publikum auf die von der Regierung gebilligte Lcsekost zu beschränken, und die unglanblichcu Mißgriffe ungeschickter Censoren, die z. B. einmal Danle's göttliche Eomödie verboten, weil mit göttlichen Dingen nicht Comödic gespielt werden dürfe, ließen eine Milderung des gegen die Presse geübten Polizcisystems als dringendes Erfordcrniß erscheinen. Im folgenden Jahr befreite ein weiterer Erlaß alle Druckschriften, die über zwanzig Bogen stark waren, von der Ccnsur. 3n Berlin wurde ein Obcrccnsurgericht eingesetzt, welches über alle Beschwerden z-e,. nM. gegen die unteren Censoren zu entscheiden hatte und als eine Wohlthat für die gedrückte Presse empfunden wurde; auch die Bilderccusur wurde eine Zeitlaug aufgehoben. Verfolgte und zurückgesctzte Vatcrlandsfrcunde, wie Arndt, die beiden Grimm, Jahn, wurden wieder angcstcllt und in ihrer bürgerlichen Ehre anerkannt, Schön aufs neue zum Obcrpräsidenten von Preußen und Staats- miuistcr, der alte General v. Boyen zum zweitenmal zum Kriegsministcr ernannt. Bald nach dem Regierungsantritt wurde auch der Geheünerath v. Tzsch oppe entlassen, das brauchbarste und gehaßteste Werkzeug in den Demagogenvcrfol- gungen der zwanziger und dreißiger Jahre, ein Fanatiker finsterer boshafter Jn- quisitionsküuste, beladen mit dem Fluche von tausenden unglücklicher, mehr oder minder unschuldiger Opfer; bald nach seiner Entlassung verfiel er in Wahnsinn und das Volk erkannte darin eine schreckliche Nemesis. Eine allgemeine Amnestie ro.Aug. für Hochverrat!), Majestätsbcleidigungcn und andere politische Verbrechen wurde ' erlassen und damit die Pforte des Kerkers Hunderten von Männern geöffnet, die jugendliche Thorheiten und Unvorsichtigkeiten init jahrelanger Haft und zerstör tem Lebensglück gebüßt hatten. Die sogenannte Ministcrialcommission, welche das traurige Amt hatte, über die gute politische Gesinnung von Beamten zu wachen, wurde aufgehoben. Allein dies waren doch nur aufflackcrnde und bald erlöschende Regungen. Rü-ksau m 3u diesem widerspruchsvollen System kreuzten sich täglich populäre und gehässige, liberale und reaktionäre Maßregeln. Schon auf dem Huldigungslandtag derB^Win"^' preußischen Stände in Königsberg wies der König die Bitte um Ertheiluug einer Stptbr. 1840. Constitution zurück, wenn auch in gnädiger Weise und mit Worten, bieder Deutung Raum ließen, er gedenke allmählich zur Rcichsverfassung vorzuschreiteu. Noch bestimmter bewiesen die nachfolgenden Aeußerungen des Königs bei ver schiedenen Gelegenheiten, daß er an dem alten absoluten patriarchalischen Regi ment fcsthaltcn, und sich nur durch seine Pflichten gegen Gott und durch sein Gewissen, nicht durch „Versicherungen auf Pergament" Schranken ziehen lassen wolle. Damals schrieb Schön seine berühmte Schrift: „Woher und Wohin?", in der er freimüthig und überzeugend den Nutzen der Einberufung einer Volksvertretung für den Staat darlegte; die Reaction verketzerte ihn dafür maßlos, und er nahm bald seinen Abschied als Oberpräsident der Provinz Preußen. Noch mächtiger als diese Schrift zündeten die „Vier Fragen, Nbr. 1841. Weber, Weltgeschichte. XV. 15