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222 Zwischen zwei Revolutionen. zwar mancherlei freiheitliche Zugeständnisse gewährte, aber die nationalen Ge gensätze zwischen Dänen und Deutschen nur verschärfte. Bald brachen die stür mischen Ereignisse aus, die wir in der Folge werden kennen lernen. Preußische Die immer dringender, in den deutschen Landtagen, in der Presse, in Ver- srrmpiäne'sammlungen sich kundgebcnden Forderungen nach einer Reforin der deutschen Bundcsverhältnisse, nach einer Kräftigung der nationalen Bande erkannte auch König Friedrich Wilhelm IV. nnd die preussische Regierung als berechtigt an. Auch in den Kreisen der Staatslenker dämmerte allmählich die Ahnung auf, daß das bisherige System, die Mißachtung aller Forderungen der öffentlichen Meinung, zu einem gefährlichen Zusammenstoß führen könne, in welchem die Stützen des Staats sich als schwach und gebrechlich erweisen müßten. Zu wiederholten malen seit dem Jahr 1840 regte die preußische Regierung die Frage der Bun desreform an. Im Jahr 1847 beantragte sie beim Bundestag die Frcigebung der Presse und überreichte in Wien eine von dem General und Staatsmann von Radowitz verfaßte Denkschrift über die Reform der deutschen Bundes- Verhältnisse, welche sehr tiefgreifende Vorschläge enthielt: die deutschen Armeen sollten in eine einheitliche Form gebracht werden; ein gemeinsames deutsches Bürgerrecht, volle Freizügigkeit, ein gemeinsames Handelsrecht und Strafgesetz buch, ein oberstes Bundesgericht sollte ins Leben treten; der Zollverein sollte auf den ganzen Bund ausgedehnt, Einheit der Münze und des Maßes sollten hergcstcllt, Bundesconsulate errichtet, gemeinsame Bestimmungen über Eisen bahnen und Posten getroffen werden u. dgl. Ein deutscher Fürsteucongreß sollte diese Vorschläge, die in den wichtigsten Fragen den nationalen Bedürfnissen ent gegenkamen, in Berathung nehmen. Radowitz kam wiederholt nach Wien, um über diese Vorschläge zu unterhandeln; allein die österreichischen Staatsmänner legten die Denkschrift bei Seite und die Vorschläge kamen zu spät, um die Revo lution noch aufzuhalten. 3. Preußen. L. Da« Rückschrittssystrm unter Friedrich Wilhelm IV. TadFried. In dem für die preußische Geschichte so bedeutungsvollen vierzigsten Jahr h-im's in. des Jahrhunderts starb der alte König Friedrich Wilhelm III. Genau vor zwei hundert Jahren war der große Kurfürst, vor hundert Jahren Friedrich der Große zur Herrschaft gelangt. Kein Wunder, daß das Land auch jetzt einen entscheidenden Wendepunkt in der preußischen Geschichte erwartete. Das preu ßische Volk achtete in Friedrich Wilhelm III. die wohlmeinende landesvätcrlichc Gesinnung, das stille Dulden so vielen Unglücks, eine aufrichtige Frömmigkeit, ein schlichtes, bescheidenes, fast schüchternes Wesen, und eine große Reihe anderer ehrenwerther Eigenschaften des Charakters und Herzens. Wenn man mit den politischen Zuständen unzufrieden war, so gab man den unerquicklichen Gang