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218 Zwischen zwei Revolutionen. einzelnen Landesgrcnzcn, mit einem gemeinsamen Zolltarif nach Außen, mit der Aus sicht auf ein gleichmäßiges Münz-, Maaß - und Gewichtssystem. Die Hegemonie Preußens, wenigstens auf diesem Gebiete, war allgemein und unwiderruflich anerkannt, und selbst der verbissenste Haß mußte zugcstehcn, daß die Berliner Regierung eine durchaus loyale gemeinnützige Politik befolgt. Die wohlthätigcn Folgen dcS Bundes zeigten sich alsbald in einer allgemeinen Entfesselung und Belebung der Industrie und des Handels. Von einer Auflösung des immer nur auf eine Reihe von Jahren ge schlossenen Vereins konnte kaum mehr die Rede sein. Gehässigkeiten und Kleinlichkeiten im Verkehr der deutschen Staaten kamen freilich auch unter der Herrschaft des Zoll- >8ii. Vereins noch vor. Ein berüchtigtes Beispiel ist der „Steinkrieg" zwischen Darmstadt und Nassau. Als die Wiesbadener Regierung Anstalten zur Verbesserung des Hafens von Biebrich traf, suchte man hessischerseits, um den Handel von Mainz besorgt, diesen Bemühungen dadurch entgcgcnzutretcn, daß man Schiffe mit Steinladungen im Rhein versenkte, um das nassauische Ufer zu versanden. Es mußte erst der Bundestag angerufcn werden, um Hessen zu veranlaßen, die Steine wieder herauszuschaffcn. Nur Oesterreich auf der einen Seite, die norddeutschen Küstenstaaten, Hannover, die Hanse städte, Oldenburg, Mecklenburg, auch Braunschweig auf der andern Seite, hielten sich noch abgesondert. Insbesondere war Hannover, so wenig cs in der Lage war, eine selbständige Handelspolitik zu treiben, stets mit zähem Eifer bemüht, der preußi schen Zolleinigung entgegenzuwirken. Wie das Welfenreich früher thätig an dem mit teldeutschen Handelsvercin gearbeitet, so stiftete und erweiterte cs in dcn dreißiger uMai 18S4.Jahren den niedersächsischen Steuervcrein, dem Hannover, Oldenburg, Braunschweig, Schaumburg-Lippe angehörten. In der Folge aber sah sich auch Han nover genöthigt, sein Widerstreben gegen dcn preußischen Zollbund aufzugeben und in Septembervertrag in eine Verschmelzung des Steucrvercins mit dem Zollverein zu ' willigen. Diese weitere Periode des Zollvereins werden wir in der Folge noch kennen lernen. Rkguugkn Allein wenn auch die Vereinigung der Handelsinteressen ein Baud um die naigefühls'deutschen Staaten schlang, das nicht mehr zu zerreißen war, so trat der politische und nationale Gewinn dieses Bundes doch nicht gleich in vollem Maaße hervor. Das enttäuschte und ermattete Geschlecht war in seinen nationalen Hoffnungen schon zu tief niedergedrückt, als daß es die größte positive Errungenschaft eines halben Jahrhunderts sofort richtig gewürdigt hätte. Und doch zeigte es sich bei einzelnen äußern Ereignissen, daß das schlaff gewordene Nationalgefühl, das unter den armseligen Verhältnissen des bundestägigen Deutschland wenig Nah rung fand, nur einer Erfrischung und Belebung bedurfte, um hell aufzuflammen. So wurde die Nation wach gerüttelt, als im Jahr 1840 die französische Kriegs gefahr am Rhein sehr bedrohlich auftrat (S. 110, 130). Die Regierungen ver anstalteten energische Rüstungen, namentlich die preußische, um ihre Rheinlands besorgt. Am Bundestag wurde eine Reform der Kriegsverfassung durchgesetzt, die Bundesfestungen Mainz, Luxemburg, Ulm, Rastatt, wurden jetzt auszu bauen begonnen. Zugleich hielten es die Regierungen auch für gerathen, wieder patriotische und nationale Saiten anklingen zu lassen. Preußen stellte in Wien die Rothwendigkeit einer Neugestaltung des Bundes, entsprechend den Bedürf nissen des Volks, vor. Damals dichtete Nicolaus Becker sein berühmtes Lied