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216 Zwischen zwei Revolutionen. Z°Glüppm' Die preußische Handelspolitik, die ihr verkchrcrlcichterndes Bestreben in dm Ih-Uung. zwanziger Jahren auch durch eine Reihe von Schiffahrts- und Handelsverträgen mit auswärtigen Mächten an den Tag legte, fand am wenigsten Entgegenkommen bei den nächsten Nachbarn; der zäheste Widerstand erhob sich namentlich in den norddeutschen Mittelstaatcn, in Kurhcffcn, Hannover und Sachsen, wobei weit weniger daS wirth> schaftliche Interesse die Triebfeder war als die politische Eifersucht. Im Kampf gegen den Haß und Argwohn der Mittel- und Kleinstaaten gingen fast die ganzen zwanziger Jahre hin, ohne daß ein anderer Erfolg als die mühselige und widerwillige Gewin nung einiger kleinen Enclavcn und Ländcrfctzen zu verzeichnen gewesen wäre, fürwahr ein cntniuthigcndeS Resultat, wobei nur das tröstlich war, daß die unermüdlich fort- gesctzten süd- und mitteldeutschen Sondcrbundsbestrcbungen auch nicht viel bessern Erfolg hatten. Erst die beiden letzten zwanziger Jahre brachten jene größere Grup- pcnthcilung zu Wege, die mir früher kennen gelernt. Aus der einen Seite schloß ?8W Preußen jenen folgenreichen Vertrag mit Hessen-Darmstadt, der den Eintritt des süddeutschen, mit Preußen nur auf kurzer Strecke zusammenhängenden Großhcrzog- thums in das preußische Zollsystem zum Inhalt hatte und das Fundament bildete, auf dem sich der Zollverein aufbautc; auf der andern Seite schloffen sich Baiern und Würtemberg zu einem Zoll- und Handelsverband zusammen. Trotzdem durch den prcußisch-darmstädtischcn Vertrag die wirthschaftlichc Lage Kurheffcns ganz unhaltbar geworden, widerstrebte der Souvcränctätsdünkel und die Unvernunft des Kasseler Hofes doch noch lange der Anerkennung der thatsächlichen Nothmcndigkcit. Unter österreichi scher Befürwortung, auf Anstiften Sachsens, dem seine Lage zwischen der prcußisch- darmstädtischcn und der süddeutschen Gruppe immer unbehaglicher wurde und das hier eine schöne Gelegenheit erblickte, seinem alten Groll gegen Preußen Genüge zu thun, 24. Sepm. kam jener mitteldeutsche Handclsverein zu Stande, „eine der bösartigsten und unnatürlichsten Verschwörungen gegen das Vaterland". Wie ein Keil schob sich dieser, aus Sachsen, Hannover, Kurheffcn, Oldenburg, Nassau, Braunschweig, den meisten thüringischen Fürstenthümern bestehende Verein zwischen die beiden Zollvcrbände hinein, zusammcngehalten lediglich durch Angst und Neid gegen Preußen, ohne irgend welche gemeinsame Interessen, ohne Zollcinigung und erhebliche Verkehrserleichterungcn, mit dem einzigen Sinn, die Erweiterung des preußischen Zollvereins zu hintertreiben. Die innern wirthschaftlichcn Gegensätze, die Jnhaltlostgkeit und Unhaltbarkeit dieses Vereins traten denn auch bald aufs schärfste hervor. Ueberbnickung Die preußische Handelspolitik verfolgte zur Sprengung dieses Bundes den rich- " ' tigen Weg, über ihn hinweg dem Süden die Hand zu bieten, und der vereinsamte be drängte süddeutsche Bund schlug ein. Er hatte nur die Wahl zwischen dem süchsisch- hannövcr'schcn und dem preußischen Verein, und schon der Argwohn gegen Oesterreich, das hinter jenem stand, noch mehr aber eine richtige wirthschaftlichc Einsicht ricth zum Anschluß an den prcußisch-darmstädtischcn Verband. Von Anfang an hatte die preußische Handelspolitik in Süddcutschland mehr Einsicht und Unbefangenheit des Urtheils gefunden als bei den haßerfüllten mißtrauischen norddeutschen Nachbarn. Der bairische Minister Graf Armanspcrg und der Buchhändler Cotta haben sich um das Zustandekommen einer Verständigung große Verdienste erworben. So wurde der sol- 27. Mai gmschwere, wenn auch zunächst nur lose und provisorische Vertrag zwischen der preu- ^^'ßisch-darmstädtischen und der bairisch-würtembergischen Gruppe ge schloffen, der den Main überbrückte. Die beiden Gruppen versprachen einander Zvllfrciheit für alle inländischen Erzeugnisse, mit Ausnahme einer Anzahl von Fabrik- waarcn, und eine möglichste Annäherung an die beiderseitigen Zollsysteme, deren volle Vereinigung für den Augenblick noch nicht möglich schien. Verträge mit Meiningen