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212 Zwischen zwei Revolutionen. wie auch zum Theil in Baiern geschah, die Nachweisungen und die Rcchenschafts- ablage der Staatsausgaben; man stellte den Grundsatz auf, ein Steuerbcwilli- gungsrccht begreife das Steuerverweigerungsrecht nicht in sich. Die schnöde Art, wie in Hannover das beschworene Staatsgruudgesetz über den Haufen geworfen wurde, werden wir bald kennen lernen. Allenthalben dieselben traurigen Erschei nungen der reaktionären Staatskunst unter dem Einfluß des Metternich'schen Systems und der Bundestagspolitik; ein trübes Gemälde, dessen einzelne Züge die folgenden Blätter enthüllen werden. Von persönlichem Recht war nirgends die Rede; irgend eine Beschuldigung, irgend eine Dcuunciation, irgend ein Ver dacht war hinreichend, um persönliche Haft zu verhängen; wenn keine gericht liche Berurthcilung erfolgte, hielt man den Beschuldigten in jahrelangem Unter suchungsarrest oder stellte ihn unter polizeiliche Aufsicht; gefällige Richter gaben statt eines freisprechcnden Urtheils eine Instanz-Entbindung und beraubten den Angeklagten dadurch seines politischen Boübürgcrrcchts. Dieser Mittel bediente man sich in Baiern, Kurhessen, Hannover, um unbeliebte Männer aus der Kammer fern zu halten. Schwer war der Druck, der auf der Presse lastete. Keine Schrift unter zwanzig Bogen durfte ohne Druckerlaubnis (Imprimatur) verlegt, keine Zeitung ohne Durchsicht eines dazu bestellten Beamten (Censors) verschickt werden ; auswärtige Blätter unterlagen einer Nachcensur; innere An gelegenheiten durften in vielen Ländern gar nicht besprochen werden; Opposi tionsblätter wurden durch Censurstrenge, Chicanen und Preßprozessc so lange verfolgt, bis sie eingingen; andern versagte man die Versendung durch die Staatsposten, noch andere unterdrückte mau auf polizeilichem Wege. Selbst Bücher, welche die vorschriftsmäßige Censur überstanden hatten, waren nach einem vom Bundestag festgestellten Grundsatz hinterher keineswegs vor Strafen sicher. Da alle Verbote, Drohungen, Censurmaßregeln die „schlechte Presse" nicht zu unterdrücken vermochten, griff der Bundestag zu dem ungeheuerlichen Mittel, den Vertrieb sämmtlicher Verlagsartikel übel eingeschriebener Buchhand lungen und literarische Producte, von denen man sich nichts Gutes versah, noch vor ihrem Erscheinen zu verbieten; sämmtliche Schriften des „Jungen Deutsch land" z. B. wurden verboten, die vorhandenen sowohl als die künftigen. Di- ponn. Es war eine ungerechte und kurzsichtige Staatsweisheit, die damals allent- d-s l-a-nonä. halben in Deutschland herrschte, eine Staatsweisheit, die den Regierungen "" augenblicklichen Erfolg und Befriedigung ihrer Wünsche brachte, die aber in dem Herzen des Volks Treue und Glauben erschütterte, die Begriffe von Recht verkehrte und verwirrte und die Fundamente des Staatsbaues untergrub. Wäh rend man, auf die von Berlin ausgehenden Lehren vom „historischen Recht" ge stützt, alle verjährten Rechte und Privilegien, alle Befreiungen und Belastungen bestehen ließ und dadurch die höhern Stände auf Kosten der schwergedrückten niedern bevorzugte, trat mau auf der andern Seite verbriefte und beschworne Verträge mit Füßen, umging die Volksrechte durch gezwungene Deutungen und