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204 Zwischen zwei Revolutionen. gescnnnitdelitschcn Nation, die inan sich damals nur in Gestalt einer Föderativ- republik oder doch wenigstens eines Bundes der coustitutionellcn Staaten, der '„mit ihren Völkern geeinigten Fürsten" gegen die absoluten Monarchien vor- stellen konnte. Einen beredten und imposanten Ausdruck faud die gährcndc, durch eingewanderte und cingcborne Demagogen und Zeitungsschreiber genährte Bewegung in jenen mittelrhcinischen Landschaften in einem grosten Volksfeste, Maitagcn 1832 auf der Schloß rinne zu Hambach bei Neu stadt a. d. H. zum Zwecke einer mächtigen politischen Dcmonstrarion veran staltet und von einem überspannten früheren Beamten Dr. Sicbcnpfeiffer cin- berufen wurde. An dreißig- bis vierzigtausend Menschen waren auf dem Fcstplatz versammelt und lauschten den begeisternden aufreizenden Worten von Freiheit und Vaterland, vom heiligen Kampf gegen despotische Gewalt, vom herrlichen Völkermai, der trotz fürstlicher Selbstsucht endlich anbrcchen müsse, von der Völkerverbrüderung gegen den Druck der Herrschenden. Vor der mäch tige» zusammengcströmten Volksmenge, bei der sich auch Franzosen und Polen, die „Sturmvögel der Revolution", befanden, wurden feurige Reden voll „wogen den Freiheitsdranges" gehalten, die „Tyrannei" der Fürsten, die „Servilität" und „Despotie" der Beamten, die Brutalität des Militärs, der Aristokratismus der Vornehmen mit hochtönenden Worten und schwungvollen Redensarten be kämpft, besiegt, vernichtet; man gcberdete sich, als ob der Feind schon bezwungen sei, als ob die den Männern der französischen Revolutionszeit abgelcrnten begei sterten Reden, glühenden Phrasen, heftigen Schmähworte Throne umzustürzen, Heere zu bewältigen im Stande wären, vr. Wirth, ein Chrenschwert in den Händen schwingend, brachte den vereinigten Freistaaten Deutschlands und dem confödcrirten republikanischen Europa ein Hoch, den deutschen Fürsten einen dreimaligen Fluch, was in der erhitzten Versammlung den tollsten Jubel erregte. Aehnliche revolutionäre Feste wurden an vielen Orten Südwestdeutschlands ge feiert. Als aber Fürst Wrede in der Rheinpfalz erschien und die Agitatoren Wirth, Siebenpfeiffer u. A. verhaftet wurden, zeigte sich kein Widerstand. Auf dem Hambacher Fest wurde ein Vertrauensausschuß aus den bekanntesten Füh rern des deutschen Liberalismus gewählt; aber die Bewegung war über deren Absichten schon weit hinausgegangen. Die gefeierten parlamentarischen Vor kämpfer hielten sich fern; es war ein Fest des Radicalismus, der sich fortan innncr mehr vordrängte; der gesetzlichen Opposition trat die Revolution und das Gehcimbuudweseu entgegen. Uebrigens wies vr. Wirth den kosmopoliti- scher^Zug, der durch diese Demokratie ging und durch die Anwesenheit der Fran zosen, Polen und andern Fremden bei dem Feste nicht wenig gesteigert wurde, mit anerkennenswertster Entschiedenheit zurück, wenn er ausrief, um den Preis einer neuen Entehrung, nämlich der Abtretung des linken Rheinufers au Frank reich, dürfe man selbst die Freiheit nicht erkaufen wollen; bei dem Versuche Frankreichs, eine Scholle deutschen Bodens zu erobern, müsse auf der Stelle