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II. Geschichlslcben in den Cinzelstaaten (Großbritannien). 191 Zehiite»bill ohne Verwendung des Kirchcncigenthums zu andern als kirchlichen Zwecken erlag einem von Lord John Russell gestellten Gegenantrag, „die Ueber- schüssc des irischen Kirchcneinkonnncns zur allgemeinen Verbesserung des Er- ziehungswescns'in Irland zu verwenden", d. h. die (Zehntenbill nur mit der Appropriationsclauscl anzunehmen, was zur Folge hatte, daß die Tories abdanktcn und das Whigcabinct unter Melbournes Vorsitz wicderhergestellts.Apn, izar. wurde. Aber je eifriger das Unterhaus und die Whigregicrung auf Rcformirung er°ngist<n. dec kirchlichen Mißstände, auf Milderung der drückenden Lage und auf Hebung des Volks in Irland drangen, um so heftiger und entschiedener war der Widerstand« des Oberhauses und der Tories. Während die Whigregicrung darauf bedacht war, die zwischen den Irländern und Briten bestehende nationale und kirchliche Feind schaft zu mildern, riefen die Tories und die Eiferer für anglicanischcs Kirchcn- thum die sogenannten Orangclogen ins Leben, eine über das ganze Reich ver breitete geheime Verbrüderung, die das Fortbestehen und die Stärkung dieser kirch lichen Feindschaft und die Erhaltung und Hebung des protestantischen Ucbcrge- wichts in Irland zum Zweck hatte und Thron und Kirche gegen die freiheitlichen Tendenzen des Liberalismus schützen sollte. Diese mit jedem Jahre zunehmenden und unter die Oberleitung des Herzogs von Cumberland, des „Imperialen Großmeisters" gestellten Orangistenverbindungen, die unter allen Ständen und namentlich in der Armee ihre Mitglieder zählten, erreichten zuletzt eine solche die Ordnung, Ruhe und alles Vertrauen gefährdende Macht, daß endlich das Par lament gegen diese conspiratorischen vcrfassungsfeindlichcn Umtriebe einzuschreitcn Mr. iss« für nöthig fand. Alle Versuche der englischen Liberalen und namentlich des humanen, als Verfechter volksthümlicher Freiheit bekannten Lord-Statthalters Mulgrave (Marquis von Normanby), Irland von dem Joch, das die religiöse Unduldsamkeit einer harten, verfolgungssüchtigcn Zeit dein Volke aufgeladcn zu besrcien, durch Errichtung besserer Erziehungsanstalten Bildung, Gesittung und Sinn für Ordnung und Fleiß zu erzeugen, durch zeitgemäße Reformen im Gemeinde- und Municipalwesen und durch Ausdehnung der Wahlberechtigung das katholische Volk zur Theilnahmc am öffentlichen Leben heranzuziehen, durch Einführung von Armengesetzen nach dem Vorbilde Englands das agrarische Elend zu mindern, alle diese Versuche scheiterten einestheils an der Indolenz, der Trägheit und dem Stumpfsinn der Irländer selbst, andcrntheils an der kirchlichen und aristokratischen Engherzigkeit der Tories, an den Vorurtheilen und Aengstcn der conservativen Lords, an der Intoleranz des anglicanischen Klerus. Die Zehntenbill konnte nur nach Aufhebung der Appropriationsclausel M-c isss. durchgesetzt werden, und die von den Whigs beantragte liberale Gemeindeord nung (Municipalreformbill), die, nach den Grundsätzen der im Jahre 1835 in England eingcführten Städteordnung entworfen, mit den entsprechenden Modi fikationen auch in Irland in Anwendung kommen sollte, wurde von dem Ober-