II. Geschichtsleben in den Einzelstaaten (Großbritannien). 179 Rachbarinscl noch feindseliger gesinnt sei, als vormals die Tories. Wir werden bald die dortigen Zustände und Conflicte näher kennen lernen. Die Veteranen des Parlaments wußten jedoch dem sprudelnden Redeschwall der Neulinge wie den von den Demagogen fortwährend in Scene gesetzten Pctitions- und Adressenstürmen durch eine verständige Geschäftsordnung Schranken zu setzen. Die Reformmi nister mußten um so behutsamer Vorgehen, als den Whigs nicht die Geschäfts erfahrung beiwohnte, welche die Tories durch den langen Besitz der Rcgicrungs- gcwalt sich erworben hatten, und als die Kleinbürger und Arbeiter von der Parlameutsreform eine neue wirtschaftliche und politische Aera erwarteten. Es genügte nicht, daß das Ministerium Grey aus alle Weise bemüht war, durch Ersparungen, durch Beseitigung von Sinecuren, durch Abschaffung einzelner drückenden Abgaben die öffentlichen Lasten zu erleichtern; die Opposition und die darbende Menge verlangten Abschaffung von Steuern, die, wie die Haus und Fenstersteuer, der Staatskasse unentbehrlich waren. Muthig und verständig suchten die Whigs den Schwierigkeiten zu begeg- neu, und das öffentliche Vertrauen lohnte ihren Fleiß und ihr redliches Be mühen. Im Mai wurde der Freibrief der Bank von England erneuert und Mai iM. durch zweckmäßige Bestimmungen das großartige Institut, der Stolz und die solide Grundlage der britischen Handciswelt, noch fester gegründet und gegen Unfälle und Mißbräuche geschützt. Auch die Verhältnisse des indischen Reiches wurden bei der erneuerten Bestätigung der ostindischen Compagnie aufcmndischk weitere zwanzig Jahre mit den Forderungen der Gegenwart mehr in Ueberein-" stinunung gesetzt. Die politischen und administrativen Privilegien der Gesell schaft unter Oberaufsicht des Mutterstaates blieben erhalten, dagegen wurde das bisherige Handelsmonopol, wurden die alten commerciellen Vorrechte der Com pagnie aufgehoben und den neuen Ideen von Handelsfreiheit und freier Con- currenz Raum zur Entfaltung gegeben. Zugleich legte die Regierung den Grund zu einem gerechteren und humaneren Verwaltungssystem. Man ertheilte denJuu. Eingebornen „als Unterthanen des Königs in Indien" das Recht auf Anstellung in der Verwaltung wie in der Justiz, ohne Unterschied der Religion, der Ab-. stammung oder der Farbe, und traf Einleitung zur Abstellung der Sklaverei wo dieselbe noch bestand. Die größte That aber der neuen Männer, welche durch die Parlaments- Suavm. reform zur Leitung des Staats und der Gesetzgebung berufen wurden, war""""^'""' die Sclaveneman cipation in den englischen Pflanzlanden Westindiens. Es wurde schon erwähnt (XIV, 730), wie sehr seit Jahrzehnten die Thä- tigkeit der Philanthropen, eines Wilberforce und Thom. Fowell Buxton sowie die Humanitären Bestrebungen eines Brougham, Macintosh und anderer Staatsmänner und Parlamentarier auf das hohe Ziel der Sclavenbefrciung gerichtet waren. Ihre Bemühungen waren nicht ganz fruchtlos geblieben. Schon im Jahre 1807 wurde ein Verbot gegen den Sclavenhandel erlassen und 12*