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176 V. Zwischen zwei Revolutionen. Regierung, die Volksvertretung mit dem Zeitgciste mehr in Ucbcreinstinmumg 1. März ISA. zu setzen. Es war ein denkwürdiger Tag in der Geschichte Englands, als John Russell im Namen dcs> Ministeriums das Unterhaus ersuchte, eine Bill „wegen Verbesserung der Repräsentation von England und Wales" einbringen zu dürfen. Darin war eine Parlaments-Reform beantragt, wonach den „verrotteten Flecken" ihr bisheriges Privilegium entrissen, die Parlamcntswahlcn den veränderten Verhältnissen entsprechend neu geordnet und das Einkommen (der Ccnsus) für die Wahlberechtigung ermäßigt werden sollte. Diese Reform-Bill, die mehr als hundert Orte ihres so lange geübten Wahlrechts ganz oder theilweise zu Gunsten der größeren Städte beraubte, stieß auf den hartnäckigsten Widerstand bei der Aristokratie, die dadurch ihren politischen Einfluß, ja den Werth ihres Eigenthums vermindert, die solide Grundlage Altenglands erschüttert sah. Nach einer siebentägigen Redeschlacht, worin der junge Macaulay seine ersten ora- torischen Triumphe feierte und selbst O'Connell für das Ministerium cintrat, wurde der Antrag in dritter Lesung verworfen. Aber die Whiglords im Cabinet blieben standhaft, und es gelang ihnen den König für ihre Sache zu gewinnen. Wilhelm IV. war trotz seiner liberalen Gesinnung durch die Einflüsse seiner torystischen Uingebung und seiner deutschen Gemahlin Adelheid (XIV, 730) bedenklich geworden. Man hatte ihm vorgespiegelt, daß die Stärkung des demo kratischen Elements im Parlament die Prärogative dec Krone schädigen würde. Aber die Entschlossenheit und Standhaftigkeit Brougham's und Grey's besiegten i83>! Bedenklichkeiten und brachten ihn dahin, daß er das Haus auflöstc und neue Wahlen anordnete. Der Eindruck dieser Vorgänge war so überwältigend, daß das ganze Land in Aufregung versetzt ward und in London tnmultuarische Auftritte erfolgten. Apsley-House, die Residenz Wcllington's, wurde verwüstet, während die jüngst verstorbene Herzogin noch auf der Bahre lag; torystisch ge sinnte Lords wurden insultirt und bedroht. Im Juni eröffnete der König das neugewählte Parlament mit einer Thronrede, worin er versicherte, daß er ver trauensvoll einer Neuordnung der Nationalvertrctung auf Grund der anerkann ten Prinzipien der Verfassung entgegensetze, „durch welche die Prärogative der Krone, die Autorität beider Häuser des Parlaments und die Rechte und Frei heiten des Volkes gleichmäßig gesichert werden". Nach vielen erregten Sitzungen 2i.Aug. nahm das Unterhaus die Vorlage an mit einer Majorität von mehr als hundert Stimmen und übermittelte die Bill an das Oberhaus, wo sie Anfangs October 8. s-ptbr. zur Berathung kam. Man hätte die Krönungsfeier, die im September statt fand, zu zahlreichen Erhebungen zur Pairswürde benutzen können, aber man wollte Vertrauen in den gesunden Sinn der Lords zeigen. Dieses Vertrauen sollte jedoch getäuscht werden. Trotz der eindringlichen Reden Grey's und Brougham's stieß der Reformplan auf den heftigsten Widerstand bei den hohen Herren, die sich als die gcbornen Wächter des Staats ansahcn. Die Torylords der alten Geschlechter, frühere Großbeamte und Würdenträger, Wellington an