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II. Geschichtslebcn in den Einzelstaaten.sPyr. Halbinsel). 157 e. Der Bürgerkrieg. Die englische Regierung hätte der Sache der Christinas keinen schlimmeren N-ihi-g-und Dienst erweisen können, als dadurch daß sie die Flucht des Jnfanten nach dem Heerde der karlistischcn Insurrectivn nicht verhinderte. Seit Monaten mar der Krieg zwischen den königlichen Truppen unter Quesada und den Karlistcnbanden Zumalacarregui's in den Bergen und Thalern von Vizcaya und Navarra fort- geführt worden, ohne entscheidende Action, aber mit steigender Wuth und Grau samkeit. Ließ doch der Karlistenchef einhundertzwanzig Gefangene, die bei einem Ucberfall auf Vitoria in seine Hände gefallen, mit kaltem Blute nieder- schießen, der Anfang einer barbarischen Kriegführung, die mehr und mehr den Charakter eines Vertilgungskampfes, einer Blutrache auf Leben und Tod an nahm und in Verbindung mit der Cholera, die in Madrid und andern Städten wüthcte, zahllose Menschenleben dahinraffte. Größere Treffen, wie das bei der Venta von Gulina, etliche Meilen nordwestlich von Pamplona, waren selten; s^Jum desto ununterbrochener raste die Guerilla in den schwer zugänglichen Gebirgen und Thälern, eine Kriegsweise, die uns bereits aus der Napoleonischen Zeit bekannt ist, endlos und ohne Entscheidung. Da traf die Nachricht in die baskischen Berge, Don Carlos sei in der Mitte seiner Getreuen erschienen, um sein Volk selbst zu Kampf und Sieg zu führen, eine Botschaft, die rasch wie ein Blitzstrahl sich über das ganze Land verbreitete und allenthalben die Kriegsfurien weckte. Die Menschen geriethen in eine furchtbare Aufregung. Die Cholera wurde einer Brunnenvergiftung durch die Karlisten zugeschriebcn. Man stürmte die Klöster in Madrid und mordete achtzig Mönche. Alle Leidenschaften waren aufgewühlt. In diesen Tagen der Gührung und der entfesselten Triebe wurden die Sitzungen der Cortes in der verpesteten Stadt eröffnet. Sie waren ein Abbild der erregten ^Jun Volksstimmung. In den erhitzten Debatten bei Gelegenheit der Antwortsädrcsse auf die Thronrede konnte man schon die künftigen Stürme gegen das gemäßigte konstitutionelle System des „Estatuto Real" voraussehen, namentlich als auch noch die alten Führer der Cortes von Cadiz, Galliano, Arguelles, Jsturiz in das Abgeordnetenhaus eintraten. Man verlangte mit doctrinärem Eigensinn das höchste Maß von Freiheit und Volksrecht, während das Land in den Flam men des Bürgerkriegs stand und der Staat verschuldet und ohne genügende Ein nahmen war. Nachdem durch Beschluß beider Parlamentshäuser der Jufant Don Carlos sammt seiner ganzen Linie von der Successivn ausgeschlossen wor-^v-ibr. den, steigerte sich der Thronstreit zwischen dem Prätendenten und seiner Nichte Isabel II. zu einem leidenschaftlichen Bürgerkrieg und Prinzipienkampf. Die Karlisten kämpften für die altspanischen Einrichtungen, für Thron und Altar im alten frciheitgcführdenden Bunde, für Legitimität und Priesterherrschaft. Auf ihrer Seite standen die absoluten Mächte, Rom und die italienischen Höfe, die Anhänger Dom Miguel's in Portugal, die hohe Aristokratie aller Länder und