156 -V Zwischen zwei Revolutionen. Gewohnheiten eher für eine tapfere militärische Persönlichkeit, für einen kühnen Heerführer und Bandcnhauptmann begeistert als für constitutioncllc Staalsfor- men und parlamentarische Verhandlungen, und obwohl der mächtige Einfluß der Geistlichkeit und der Mönche auf das unwissende abergläubische und bigotte Volk einer freien politischen Entwickelung nicht förderlich ist: so fanden doch alle Formen des modernen Staatslebcns, von der demokratischcn Republik bis zum apostolischen Absolutismus unter der Fahne der heiligen Jungfrau, in der pyre- näischen Halbinsel ihre Anhänger und Verfechter. Die untern Volksklasscn, namentlich die Land - und Bergbewohner, die ohne alle Einsicht, ohne Unheil und politische Bildung ganz den Eingebungen der Priester und Mönche folgten, hielten an den alten hierarchischen und monarchischen Einrichtungen fest und dienten der Aristokratie und dem Klerus zur Erhaltung und Beschirmung der verfaulten morschen Zustände der altspanischen und apostolischen Königsmacht gegen die Reformbestrcbungen der „Liberalen"; während der aufgeklärte Mittel stand in den Städten, die studirte und gebildete Klasse und viele Offiziere der Armee den aus Frankreich überkommenen Ansichten huldigten, wonach das Kö- nigthum durch Bethciligung der Volksvertreter am Staatsleben und durch Ver antwortlichkeit der Minister beschränkt sein sollte. ^Ä"<n nächste Folge des Viermächtcbundcs war das Einrückcn eines spani- D°n Carlos, schxn Heeres von 10,000 Mann unter dem energischen General Rodil über die portugiesische Grenze, wodurch Dom Miguel zum Verzicht auf seine Ansprüche n,M^und zum Verlassen seines Heimathlaudcs gcnöthigt ward (XIV, 656 f.). Nun war auch für den spanischen Prätendenten Portugal kein sicherer Aufenthaltsort mehr. General Rodil suchte ihn zum Gefangenen zu machen; allein durch die diplomatische Kunst des karlistische» Agenten de los Valles wurde der englische Admiral Parker beredet, den Infante» mit Familie und Gefolge auf dem Li- 1.2u»i i8Z4. nienschiffe Donegal nach der Küste von England überzuführen. Diese Wendung trug für Spanien unheilvolle Früchte im Schovß. Mit der Gcfaiigennehmung des Prätendenten wäre der Bürgerkrieg in Kurzem erloschen; seine Rettung fachte die Flamme von Neuem au. Denn vor seiner Einschiffung hatte Don Carlos die Basken zum treuen Ausharren ermahnt und versichert, daß er nie- 2.Ju». mals seinen Rechten und Ansprüchen entsagen werde. Einige Wochen nachher segelten zwei Reisende mit französischen Pässen versehen von Brighton nach Dieppe und eilten dann durch Paris, wo sie unerkannt an Louis Philipp und der königlichen Familie auf dem Wege von Neuilly vorbeifuhren, nach dem Süden. Es waren Don Carlos und Valles. Unter Beihülfc französischer Legi timisten gelangten sic unerkannt über die Pyrcnäcugrcnze nach Navarra, wo der Prätendent eine Einladung an Zumalacarregui ergehen ließ, sich bei ihm >2. Jun. einzufinden. Am 12. Juli erschien der Karlistcnführer vor dem Angesicht seines „Königs".