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II. Gcschichtsleben in den Einzelstaatcn (Pyr. Halbinsel). 151 wollten nichts wissen von dem Fortbestehen eines Systems des „aufgeklärten Absolutismus", das nur die Laune und die Vorurtheile des verstorbenen Kö nigs geschaffen und das charakterlos zwischen den großen politischen Lebens fragen des Tages hin und her schwankte, und die Karlisten hatten bereits i» allen Provinzen die Parole ausgegebcn, wie in der Franzoscnzeit Junten zu bilden und Pronunciamicntos zu erlassen, um die Feinde der Throne und Altäre vom Rcgimcnte fern zu halten und dem rechtmäßigen König Karl V. zur Herrschaft zu verhelfen. Die Reste der alten Glaubensbanden und die königlichen Frei willigen, die an Zahl und Stärke das reguläre Militär übertrafen, schienen ge nügende Streitkräfte zu bieten. Es dauerte nicht lange, so sammelten sich bewaff nete Kriegsschaaren in Navarra, in Aragonien und Catalouicn, in Altcastilien nm einzelne Häuptlinge, die sich schon früher als fanatische Anhänger des Abso lutismus bekannt gemacht hatten, wie der alte Ultraroyalist Santos Ladron, wie der Oberst Don Francisco Benito Eraso, wie der energische Landpfarrcr Merino von Villoviado, der einst von einem Zicgenjungcn zum Scelcnhirten herangcbildet, in der Franzoscnzeit als streitbarer Gucrillero ins Feld gezogen, dann als feuriger Absolutist gegen den Liberalismus hervorgetreten war, ein Mann von abenteuerlichem Wesen, dessen furchtbarer Charakter sich i» der wilden erschreckenden Energie seiner Züge scharf nusprägtc. Aber trotz ihrer großen Zahl war der Anfang der Jnsurrectivn den Karlisten ungünstig. Ohne einheitliche Organisation, ohne Disciplin und fähige Führung, wurden die vereinzelten Aufstände in den nördlichen Landschaften durch die regelmäßigen Truppen, welche General Sarsficld, ein schlauer, zweideutiger und intriganter Irländer wider sie in den Kampf führte, überwältigt und zersprengt. Santos Ladron ward in dem Festungsgrnbcn von Pamplona erschossen ; Eraso mußte über die Grenze fliehen; Merino vermochte trotz aller persönlichen Tapferkeit nur mit einem kleinen Häuflein Getreuer sich über die portugiesische Grenze zu Don Carlos zu flüchten. Günstiger wurde die Lage der Karlisten erst, als Zumalacarregui, ein Baske von Geburt, der seine Jugend- und Manncs- jahre im Kampfe für die königliche Sache verbracht, aber als stolzer unabhän giger Mann, der sich nie zur Jntriguc und Schmeichelei herabwürdigtc, für seine Verdienste schlecht belohnt worden war, das Obercommando über die Karlisten- «»»br. ross, banden seiner Heimath übernahm und aus den rauhen, abgehärteten Berg bewohnern ein streitbares Kriegsherr bildete. Es ist von wissenschaftlichen Forschern wie von reisenden Romantikern viel Di- über das merkwürdige Land in den Wcstpyrenäen geschrieben worden, dessen Be wohner durch Abstammung und Sprache, durch Sitten, Lebenseinrichtungen und Rechtsordnungen von dem übrigen Spanien geschieden seit fünfzig Jahren eine so hervorragende Rolle in den bürgerlichen Kämpfen der Halbinsel gespielt haben. Auch deutsche Offiziere, welche den spanischen Bürgerkrieg in den Reihen der Karlisten mitgemacht, wie Goeben, Rahden, Fürst Lichnowski, haben über