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n. Geschichtslcben in den Einzelstaaten sPyr. Halbinsel). 143 Gemüthcr zu beruhigen. Auch in andern Landschaften regte sich die Parteiwuth mit neuer Heftigkeit und steigerte sich zur Anarchie. Gegen Ende der zwanziger Jahre war die Lage Spaniens Une verzweifelte und hoffnungslose. In den Festungen lagen noch französische Besatzungen, uni die Verfassungspartci nnd zugleich die ultraroyalistischcn Factioneu, insbesondere die sogenannten königlichen Freiwilligen niederzuhalten. Die Finanzen waren in einem Zustande der Zerrüttung, der einem Staatsbankerott nahe kam; der Credit war durch die Unzuverlässigkeit der Regierung so gesunken, daß die Capi- talisten des Auslandes zu keinen Anleihen sich hcrbciließcn; Handel, Industrie und Ackerbau lagen völlig darnieder, seit dnrch den Abfall der Pflanzlande der einträglichste Markt geschloffen war. Die französischen Truppen mußten auf Kosten des Landes unterhalten und ihr endlicher Abzug durch einen Kriegs-D-cbi. isr«. kostenvertrag von dreihundert Millionen erkauft werden. Auch die englische Regierung machte Ansprüche auf Entschädigung britischer Kaufleute und nahm sich aus Eifersucht auf Frankreich der bedrängten Liberalen in Portugal an. Damals reichte Lavier de Burgos, ein vaterländischer Mann, der einst zu den Afrancesados gehört, dann während der Reaction sich mit wissenschaftlichen, be sonders nationalökonomischen Studien beschäftigt hatte, dem König eine Denk schrift ein, worin er mit edlem Freimuth die Schäden des Landes aufdcckte und als Heilmittel empfahl: Amnestie, Reorganisation der Verwaltung, Einziehung geistlicher Güter, Erleichterung der Communication, Belebung der Intelligenz und Bildung, Beseitigung der politischen Zwietracht, welche die spanische Nation schon so lange zerfleische. Die Schrift durfte nicht gedruckt werden, wurde aber in zahllosen Abschriften verbreitet. Sie ward das Programm einer gemäßigten Mittelpartei, welche mit patriotischer Gesinnung auf eine Ausgleichung der Ge gensätze hinwirkte. Die apostolischen Ultras lebten der Hoffnung, der König, dessen ei"si starker Körper durch das Uebermaß der Lüste und Genüsse geschwächt und vorK°mgr. der Zeit gealtert war, würde ohne Leibeserben aus der Welt gehen, dann war Don Carlos der legitime Thronerbe, und es bedurfte keines revolutionären Ge waltstreiches, um ihrem System die unbestrittene Herrschaft zu verschaffen. Desto größer war ihr Schrecken, als die unfruchtbare Königin Amalie von Sachsen bedenklich erkrankte und trotz aller Reliquien, die man ihr zutrug, in einem Alter von fünfundzwanzig Jahren starb. Denn bei dein Charakter des Königs war voranszusehen, daß er nicht lange säumen werde, eine vierte Ehe zu schließen. Und in der That war schon nach zwei Monaten eine neue Gemahlin gefunden. Wie sehr die apostolischen Parteihäupter alle Hebel der Jntrigue ein setzten, um die Wahl des Königs auf eine Prinzessin ihrer Gesinnung, sei es aus der portugiesischen oder der piemontesischen Dynastie zu lenken: der Einfluß von Ferdinand's Schwägerin, der Infantin Luise Carlota de Paula, welche dem Monarchen ihre jüngere Schwester Marie Christine von Neapel zu empfehlen