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134 Zwischen zwei Revolutionen. beruhte auf einer militärischen Organisation, die Frankreich nachzuahmen freilich nicht die Möglichkeit hatte. Die fünfzehn - bis zwanzigtauscnd KulugliS, auf welche die Türken zählen konnten, waren an strategisch wichtigen Punkten als-Militärcolonicn über das Land verstreut, und eine gewisse Anzahl ebenfalls zerstreuter Maghzcn oder krie gerischer Araberstämme waren durch besondere Gunstbcwcise, namentlich durch Steuer freiheit gewonnen worden, so daß die dazwischen liegenden tribut- und steuerpflichtigen Bezirke stets in Ordnung und Unterwürfigkeit gehalten wurden, ohne daß die Beys der Provinzen sich nur in Bewegung zu setzen brauchten. Noch hatte aber, als die Fran zosen in Afrika erschienen, der Kabhlc den Haß gegen seinen Ucbcrwindcr den Araber, hatte dieser den Haß gegen seinen Besieger, den Türken "nicht vergessen. Die Gegen wart der Christen vereinigte sie bald alle im fanatischen Hasse des Mohammedaners gegen die Eindringlinge, welche ihrerseits freilich solche Gefühle in leichtsinniger Weise hcraus- fordcrtcn. Wie theucr iiiiuicr der Besitz von Algerien, das nur durch eine große schm Krikgs. Kriegsmacht iu Gehorsam gehalten werden konnte, die französische Nation auch zu stehen kam, und von welchen Gräueln und blutigen Kämpfen das unglückliche Land auch heimgesucht wurde — für Frankreich und für Louis Philipp gewährte der Eroberungskrieg in der Ferne unendliche Vortheile. Der hartnäckige Kampf mit den streitbaren, von religiösem Fanatismus angefcuertcn Beduinen- und Kabylen - Stämmen hielt in der Nation Kriegsmuth und Kampflust wach und gab den Truppen Gelegenheit, sich im Gebrauch der Waffen zu üben und die durch laugen Frieden erzeugte Erschlaffung und Scheu vor Kricgsnoth und Kriegsgefahr von sich fern zu halten. Das afrikanische Land bot der französi schen Regierung einen geeigneten Schauplatz, um eine große Zahl Unzufriedener und Widerspenstiger von Frankreichs Boden zu entfernen und in der Fremde zu beschäftigen, oft zu ihrer eigenen Besserung und Bekehrung, immer zum Vor theil des Vaterlandes. Auch viele Revolutionsmänner anderer Länder, die nach dem Scheitern ihrer Umsturzversuche in der Heimath bei den Franzosen Schutz und Sicherheit gegen Verfolgung gesucht, zogen halb freiwillig, halb gezwungen über das Mittelmeer, um in der Fremdenlegion ihr Blut für fremde Erobe rung auf fremder Erde zu verspritzen. Die Zuaven und berittenen Spahis waren fast lauter europäische Mobilgarden in afrikanischem Costüm, die in Verbindung mit den „ afrikanischen Jägern" auf leichten Pferden die Eingebornen in der eige nen Kricgsweise bekämpften. Die Untcrwcrfnng des Landes war keine leichte Aufgabe, und für Begründung eines mit Civilisirung verbundenen Lvlonial- wesens haben die Franzosen kein Geschick. Er°b-M^ Wohl wurden große Waffeuthaten vollbracht und kühne Kriegszüge aus- '"' ' geführt, aber die Besitznahme des entfernten Gebietes ging langsam vorwärts. Schon im November 1830 überstieg General Klausel nach einer pomphaften Proclamatiou in Napoleonischem Stil von Blidah aus den kleinen Atlas, unter warf Mediah in der Südprovinz Tittery, und setzte einen neuen Bey ein; aber Mangel an Lebensmitteln und die feindseligen Angriffe der Einwohner nöthigtctt