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126 Zwischen zwei Revolutionen. und Antwerpen nun auch Inoch die Lösung der orientalischen Frage zu seine» Erfolgen rechnen konnte, war dein Selbstherrscher aller Reußen ein Dolchstoß ins Herz. Als aber die übrigen Mächte mit dein Abkommen einverstanden waren, sah er sich genöthigt den Befehl zum Rückzug der Flotte und des Heeres zu crthcilen. Nachdem aste Schwierigkeiten, die sich noch cinstcllten, aus dein Wege geräumt waren, wurde am 5. Mai der Frieden unterzeichnet. Sollte aber Rußland für die guten Dienste, die cs der Pforte geleistet, kei- 2«m-sfi. mrlei Vorthcil ziehen? Das war nicht nach dem Sinne des Kaisers Nicolaus und entsprach nicht der traditionellen Politik des Petersburger Hofes. Ehe Graf Orloff, der Vertraute des Zaren, in dessen Hände der Oberbefehl über die Land- und Seemacht am Bosporus und die Leitung der diplomatischen Geschäfte ge legt war, den Rückzug antrat, schloß er mit Mahmud den „Defcnsivvcrtrag" von s.IuiiM.Hunkiar Jskclessi, worin sich Rußland verpflichtete der Türkei bei jeder drohenden Gefahr auf ihr Verlangen bewaffnete Hülfe zu leisten, die, Pforte dagegen die Zusicherung gab, die Meerenge der Dardanellen zu schließen, d. h. den fremden Kriegsschiffen die Einfahrt in dieselben unter keinerlei Vorwand zu erlauben. Vergebens erhoben die Westmächte Einsprache gegen eine Uebercin- kunft, durch welche Rußland allein das Vorrecht erhielt, neben der Pforte und mit ausdrücklicher Ermächtigung derselben die Gewässer von Konstantinopel zu beherrschen; in Petersburg kehrte man sich nicht an die Verwahrung der West mächte, zumal als man der Beistimmung von Oesterreich und Preußen versichert war. Zu einem Kriege konnte man sich aber in Paris und London nicht ent schließen. So blieb denn der Vertrag von Hunkiar Jskclessi in Kraft. Kaiser Nicolaus freute sich, der Einmischung des liberalen Juliregiments in die orien talischen Angelegenheiten einen Riegel vorgeschoben zu haben, und beharrte nun um so standhafter bei seiner Antipathie gegen den Revolutionskönig, die er selbst im Verkehr mit den französischen Gesandten in Petersburg offen zu erkennen gab. ^'sch/Fmy! Das Abkommen von Kutahych war nur ein Waffenstillstand; die Miß- Helligkeiten zwischen dem Sultan und dem Vicekönig dauerten fort und nahmen durch die Einmischung der europäischen Diplomatie mehr und mehr einen ge reizten Charakter an. Mchcmet Ali strebte nach einer von der Pforte unabhän gigen Erbmonarchie, die Aegypten, Syrien, Kreta und andere eroberte Land schaften umfassen und dereinst auf seinen Lieblingssohn Ibrahim übergehen sollte. Das Anerbieten Mahmuds, die Erblichkeit für Aegypten dem Lehns- fürsten zu gestatten, war dem herrschsüchtigen Vasallen nicht genügend. Der Großwcsier Chosrcw und der junge ehrgeizige Minister Reschid Pascha, ein Staatsmann von europäischer Bildung, gossen Oel in die Flamme. England blickte grollend und eifersüchtig auf den Beherrscher des Nillandes, der von allen fremden Waaren Zoll erhob und dem indischen Handel alle möglichen Schwie rigkeiten und Hindernisse in den Weg legte. Nur die Befürchtung, Rußland