Volltext Seite (XML)
124 X. Zwischen zwei Revolutionen. und der Einfluß auf die Entwickelung der orientalischen Angelegenheiten. Dock waren die Erfolge auf beide» Kriegsschauplätzen ungleich. So manche Trophäen die französischen Waffen in Algier erfochten, wie wir sogleich erfahren werden, so dürftig waren die Früchte, welche die Kriegspolitik des Ministeriums Thiers aus den Gewässern der Levante hcimbrachte. M<dkmn Ai> Es ist eine altüberlieferte Politik aller französischen Regierungen, mit den mohammedanischen Staaten des Morgenlandes in gutem Vernehmen zu stehen und sich einen Einfluß auf die Gestaltung der dortigen Dinge zu bewahren, na mentlich verlieren sie nie das seit Napolcon's denkwürdiger Unternehmung ihnen näher gerückte Aegypten aus den Augen. Sollte einst das morsche Reich der Pforte, das durch die Umwandlung der altislamischcn Feudal- und Janitscha- reumacht in einen europäischen Beamten- und Militärstaat mehr geschwächt als verjüngt worden war, zusammenstürzcn, so wünscht Frankreich auch seinen Antheil an der Beule zu haben, und was könnte ihm dann gelegener sein als das fruchtbare Nilland, das, mit Algerien verbunden und durch weitere Er oberungen vergrößert, ein Reich bilden würde, welches an Bedeutung mit dem englischen Ostindien wetteifern könnte? Dieser noch im Dunkel der Zukunft ver borgene Plan mag der Beweggrund gewesen sein, daß Louis Philipp und seine Minister den hartherzigen, tyrannischen Pascha Meheinet Ali und dessen krie gerischen Sohn Ibrahim so warm in ihre Freundschaft cinschlossen. Wir haben die beiden Männer schon früher kennen gelernt (XIV, 741 f.). Mehcmet Ali, ein Makedonier von geringer Abkunft, hatte sich, wie uns bekannt, nach einer wechselvollen Jugend zuni Pascha von Aegypten emporgeschwungen. Hier ver nichtete er zuerst durch Hinterlist, Mord und Gewaltthat die Macht der Mame luken und tödtetc ihre Führer; dann begründete er mit Hülfe europäischer, namentlich französischer Rathgeber ein Rcgicrungssystcm, wobei abendländische Civilisation mit morgenländischem Despotismus in einer gräuelvollcn Mischung gepaart war. Durch einen furchtbaren Steuerdruck und durch die Verfügung, daß alle Bodcuerzeuguisse zu einem festgesetzten Preis an ihn abgcliefcrt werden müßten und alle fremden Lebensbedürfnisse nur durch ihn bezogen werden dürf ten, brachte er die grundbesitzenden Bauern (Fellahs) zuy Verzweiflung, so daß diese es vorzogen, ihr steuerbares Eigenthum dem Tyrannen zu übertra gen und als dessen Tagelöhner und Sklaven es zu bebauen, wodurch säst ganz Aegypten in ein großes Herrengut des Pascha umgeschaffcn wurde. Nun führte er europäische Industrie ein, die ihn selbst immer reicher, das Volk da gegen immer ärmer machte, ließ das ganze Land mit Baumwolle «»pflanzen, deren Handelsbetrieb ihm allein zustand, und nahm von europäischen Einrich tungen gerade diejenigen an, die, wie die Polizei und das Conscriptionssystem, das Volk in immer drückendere Fesseln schlugen, oder die, wie die Anfertigung eines neuen Gesetzbuches »ach französische»! Muster, die Gründung einer höher»
