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122 .4. Zwischen zwei Revolutionen. Proclamation verkündete de» Bewohnern der überraschten Seestadt, „Frankreich sei gekommen die Sache der Völker gegen den Despotismus zu führen und Oesterreich, welches unter lügnerischen Versprechungen seine alten und ewigen Vergrößerungsabsichten verfolge, auszuhaltcn". Zugleich wurde Milde und Schonung empfohlen, „damit die Freiheit nicht mit de» Attributen der Enmc- nidcn erscheine". General Cubiercs, welcher von der päpstlichen Regierung die Einwilligung zur Ausschiffung der Truppen erwirke» sollte, traf i» Rom erst ein, als die Seestadt schon im Besitz der Franzosen mar. Bona- Louis Napoleon Bonaparte, der erkrankt in Ancona weilte, entfloh mit seiner p-me. Mutter unter mancherlei Gefahren über Pisa und Nizza nach Paris. Louis Philipp em pfing sic thcilnehmcnd. Er eröffnete ihnen Aussicht auf einen bleibenden Aufenthalt in Frankreich, ja auf Eintritt des Prinzen in die königliche Armee, sofern er seinen Namen ablegcn wollte. Aber der Sohn der Hortensia, auf den der Bruder bei seinem Sterben in Forli seine Ansprüche übertragen hatte und dec bald darauf durch den Tod seines Vetters, des Herzogs von Reichstädt in Wien der Haupterbe der dynastischen Tradi tionen werden sollte, weigerte sich, die auf dem Namen Bonaparte ruhenden natio nalen Sympathien und Erinnerungen von sich zu geben. Er ließ sich von seiner Mutter die Orte zeigen, die wie Boulogne und Malmaison in der Geschichte des kaiserlichen Oheims von hervorragender Bedeutung gewesen, und bezog dann mit ihr das beschei dene Schloß Arcncnbcrg in der Schweiz, stets im Geist den Glauben an seinen künf tigen Hcrrscherberuf hegend, zu dem er sich durch Studien wie durch körperliche Uebungcn im Reiten, Fechten, Schwimmen fähig zu machen bemüht war. Er trat als Artillerie offizier in die Thurgauer Miliz ein und unterhielt Verbindungen mit politischen Flücht lingen und mit den Anhängern seines Hauses. Amon-i" Seit Juliwoche hatte kein Ereigniß die europäische Welt in solche Auf regung versetzt wie die französische Occupation Ancona's. Mehr als je schien ein allgemeiner Krieg unvermeidlich. Nicht nur die Höfe von Wien, Petersburg und Berlin sprachen ihren Unwillen aus, selbst in London erging sich die Tory stische Opposition, Wellington an der Spitze, in heftigen Vorwürfen gegen die Whiggistische Regierung, die dem „herzlichen Einvernehmen" zu Liebe die Un abhängigkeit des heiligen Vaters opfere und Italien dem Ehrgeize Frankreichs . preisgebe. Der römische Staatssccrctär Bernctti protcstirtc gegen die Eingriffe in die Souveränetät des Papstes, gegen die Verletzung des Völkerrechts. Selbst der französische König und sein Minister Sebastiani ließen sich gegenüber den fremden Botschaftern zu entschuldigenden Erklärungen herbei. Aber Periec sagte ruhig: „Frankreich werde die in Italien eingenommene Stellung nicht wieder verlassen, ehe die Oesterreichcr die Legationen geräumt". Und dabei blieb es. Kurz nachher streckte sich Perier auf das Krankenlager, von dem er nicht wieder ib'iN' ""^cm^; aber die französische Besatzung wurde nicht cingczogen. Ancona ward dadurch zum Heerd und Stützpunkt des italienischen Liberalismus und eine Ga rantie gegen reactionäre Gewaltthat und österreichische Schutzherrschaft. Der Papst, erbittert über die feindseligen Kundgebungen der Patrioten in den Mar ken, belegte die Seestadt mit dein Jnterdicte, wußte aber endlich, als der Coin-