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1270 L. Neueste Zeitgeschichte in ihrem äußeren Verlause. dräugniß solche Summen aufbriugcn? So blieb das Abkommen ein Mittel sür Rußland, auf die Türkei fortwährend einen gewissen Druck als mahnender Gläu- bigcr auozuübcu. Zugleich suchte mau die Bulgaren zu beschwichtigen, sie in Betreff ihrer Unionslcndcnzc» auf die Zukunft vertröstend. Ein kaiserliches Manifest ermahnte sie, sich dem Berliner Vertrag zu fügen und mit der Auto nomie zu begnügen, die ihnen darin verbürgt war. Und in der That nahm die vonDondukoff-Korsakoff nach Timowa cinberufcnc bulgarische Notablcuvcrsamm- lung den BersassungSentwurf an, so daß schon im Mai der von der Pforte er- nannte General-Gouverneur Fürst Alcrauder Bogoridcs, ehedem Gesandter der Pforte in Wien, der als türkischer Würdenträger den Namen Aleko Pascha trug, 18?»'ostrumelischc Hauptstadt Philippopcl cinzichcn konnte. Um dieselbe Zeit wählte eine zweite Notablenvcrsammlung den Prinzen von Battenberg, einen Neffen des Zaren, zum erblichen Fürsten von Bulgarien. Dieser nahm die Wahl an und hielt, nachdem er sich der Zustimmung der europäischen Möchte versichert und in Constantinopcl sein Investitnr-Bcrat cingcholt hatte, als Fürst i». Jun. Alerandcr I. seinen Einzug in Sophia. Aber wie sehr auch vorauszusctzen war, daß der neue Bulgarcnfürst nur den Eingebungen des Zarcnhofes folgen würde, und wie sehr dcr Phanariote Aleko Pascha, oder wie er sich lieber nannte, Fürst Vogo- rides, sowohl bei seinem Einzuge als in seinem ganzen Verwaltungssystem und in seinem Verhalten gegen die zurückgekchrtcn mohammedanischen Flüchtlinge seine christlichen und bulgarischen Sympathien unverhohlen au Tag legte, so war cs doch deutlich, daß die Petersburger Regierung nur gezwungen sich in dicCon- grcßbcschlüsse fügte, daß sie wie die moskowmsche Nationaipartei mit Unmuth und Verdruß auf die Berliner Abmachungen blickte, ihre Hoffnung auf eine gün stigere Zukunft und auf den immer mehr zunehmeuden Verfall der Türkei richtend. n>n"und^' Zu dieser Unzufriedenheit gesellten sich die Symptome innerer Zersetzung nM-^F^und revolutionärer nihilistischer Gährung, um in dem weiten und mächtigen Moskowitcrreich gefährliche und erschreckende Bewegungen politischer und socialer Natur zu erzeugen. Rottirungen unter den Studenten, Mordanfälle auf hoch- gestellte Personen, Unlcrschlcife und Bestechlichkeit in angesehenen Beamtenkreisen und andere Erscheinungen waren deutliche Beweise, daß im Staate Rußland manches faul sei. Der Nihilismus, dessen Entstehung und Tendenzen wir früher kennen gelernt, erhob immer kühner sein Haupt. Aus der langen schrecklichen Reihe blutiger Frevclthaten, in denen die russischen Nihilisten, „die Fanatiker des Umsturzes" ihrem Haß gegen die bestehende Ordnung Luft machten, seien nur die hervorragendsten und erschütterndsten Fälle berichtet. Im Jahr 1809 gründete Netschajeff, Lehrer an der Petersburger Academie, der in Genf sich Baku- nin's Vertrauen erworben und von diesem socialdcmokratischen Agitator mit Empfehlungsschreiben versehen worden war, unter jungen Männern der bessern Classen in Petersburg und Moskau einen weitverzweigten revolutionären Geheim- ''' bund, der seine Thätigkeit mit der „Hinrichtung" eines Studenten Jwanoff als