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1266 L. Neueste Zeitgeschichte in ihrem äußeren Verlaufe. Klaffen ansässiger Juden die nationalen Rechte zu verleihe», nicht aber der Ke. sanimthcit. Nach und nach wurde Rumänien von den europäischen Mächte» als souveräner Staat anersannt und die Anerkennung durch gcgcnsciiigc Gesandt- schaflsrcchtc bethattgt. Auch der LandzmvachS, den sich Rußland in Kleinasien auöbcdungen, wurde nicht unerheblich beschnitten. Doch blieb ihm außer der Festung Kars die wichtige Seestadt Votum mit dem Gebiet der Lasen erhalten. Die größte Umgestaltung erlitt der Vertrag von San Stefano in Betreff Bul gariens. „Der mächtige Keil", heißt cs in einem Bericht über den Berliner Kon greß in den Preuß. Jahrbüchern, „der sich nach jenem Prüliminarvcrtrag zwischen die auseinandergcrcnknm Glieder dcS Osmancnrcichcs cinschicben sollte und dem dürftigen Reste zusammcnhangsloscr Trümmer Licht und Lebenslust vollends be nommen hätte, ist nach den Vereinbarungen des Congresscs in wesentlich ver ringerte Form gebracht worden. Nicht bis dicht an das ägäische Meer soll sich das neue Fürstenthum Bulgarien erstrecken, sondern am Balkan seinen Abschluß finden. Nordbulgarien wird unter einem Fürsten constituirt, dessen Wahl einer Notablcnvcrsammlung Vorbehalten bleibt nnd von den Großmächten be stätigt werden muß ; die Festungen an der Donau und landeinwärts, bisher das starke Bollwerk der Osmanenhcrrschaft, werden geschleift. Die vollständige Freiheit der Donauschifffahrt bis zur Mündung wird garantirt. Süd-Bulgarien oder Ost-Rumclien, wie cs fortan genannt werden soll, verbleibt beider Türkei, aber auch dies nur unter europäischen Garantien für das künftige Wohl- verhalten der Pforte. Ein christlicher Gouverneur wird für diese Provinz auf je zehn Jahre vom Sultan ernannt, von den Mächten bestätigt. Eine Art Volks vertretung, administrative Autonomie in gewissen Grenzen, Garantien für eine unparteiische Justiz, für gleiche Behandlung der Bekenntnisse n. A. sollen er richtet und unter die Controle der Botschafter in Constantinopcl gestellt werden. Das Bcsahungsrccht auch in diesem der Pforte verbleibenden Theil von Bul garien ist auf die Balkanpässe und auf Etappcnstraßcn beschränkt". Diese Bc- stimmungcn ins Dasein cinznführen, der „staatlichen Mißgeburt" eine lebensfähige Gestalt zu geben, war seitdem die Aufgabe des russischen General-Gouverneurs von Bulgarien, Don du ko w-Korsakow, des Nachfolgers des am Tag der Unterzeichnung des Friedens von San Stefano gestorbenen barschen und rücksichts losen Fürsten Tschcrkaßki, in Verbindung mit einigen europäischen Commiffarcn. Aber das Organisationswcrk stieß auf große Schwierigkeiten, da die christlichen Bulgaren Ost-Rumclicns, an der Idee eines „großbnlgarischen" Reiches festhaltcnd, nicht wieder unter die Herrschaft der Osmancn zurücktreten wollten nnd Miene machten, sich mit den Waffen derselben zu erwehren. Ueber Bosnien und Herzegowina, wo das erste Feuer des Aufstandes ausgebrochen war, enthielt der Vertrag von San Stefano keine Bestimmungen. Rußland hatte diese Frage geflissentlich vermieden, um nicht in das österreichisch-ungarische Machtbereich einzugrcifen. Wenn aber die Fürsten von Serbien und Montenegro sich mit