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II. Die Jahre 1 87 5 bis I 880 in geschichtlichen Umrissen. 1249 ausgcbrochcnc Aufstand in Bulgarien jwurde durch Tscherkcssen-Baudcn und Freischaarcn (Baschi-Bozuks blutig nicdergeworfen, freilich in Begleitung von Gräuclscenen, welche, als ne nach und nach in ihrem vollen Umfang bekannt wurden, in ganz Europa einen Schrei des Entsetzens Hervorricfen. In Batak wurden von den Baschi-Bozuks, den mohammedanischen Freiwilligen ohne Uniform, die christlichen Einwohner jedes Alters und Geschlechtes zu Tausenden gemordet, verstümmelt, geschändet; über hundert bulgarische Ortschaften wurden eingeäschert; allenthalben unmenschliche Barbareien verübt. Man wollte Raum schaffen für die mohammedanischen Tscherkcsseu, die vor Jahren aus dem Kau kasus nach Bulgarien übcrgestedelt und mit Waffen versehen worden waren. Inzwischen hatten Fürst Mila» von Serbien und Nikita von Montenegro D» ,,an», mit den Insurgenten in Bosnien und der Herzegowina gemeine Sache gemacht, in der Absicht, die aufständischen Landschaften unter ihre Herrschaft zu bringen. Sie rechneten auf die Hülfe Rustlands und die Sympathien der panslavistischen' Partei in Moskau, die diesen Krieg als den Anfang einer neuen politisch-natio nalen Aera im russischen Staatsleben erklärte. Ende Juni rückte Milan nach einem anspruchsvollen Manifest, das in Constantinopel als Kriegserklärung auf gefaßt wurde, mit seiner Armee, bei welcher der russische General Tschcrnajew das Hauptcommando führte und viele russische Freiwillige, Offiziere und Ge meine Dienste genommen hatten, au mehreren Stellen über die Grenze. Allein auch jetzt noch erfochten die Aufständischen keine Lorbeeren. Die meistens aus Freischaarcn und Milizmannschasten bestehenden Truppen der Christen waren im Felde den türkischen Soldaten selten gewachsen. Denn wie faul auch die politischen und socialen Zustände der Türkei sein mochten, in der Armee zeigte sich immer noch der kriegerische feldtüchtige Geist von ehedem. Der türkische Soldat erträgt mit fatalistischem Glcichiuuth alle Entbehrungen und Strapazen, ist genügsam in seinen Lebensbedürfnissen, tapfer und todesmuthig in der Schlacht, ausdauernd im Ertragen aller Beschwerden auf Märschen wie im Lager, unempfindlich gegen Kälte und Hitze, gegen Hunger und Durst, aber auch ohne Mitleid und Erbarmen gegen den besiegten Feind. „Wir werden Serbien zermalmen", rief der Grostwesier aus, als ihm gemeldet ward, der Fürst Milan habe an der Spitze seines Heeres die Grenze überschritten. J«2. Constantinopel zählte man nm so sicherer auf einen erfolgreichen Ausgang, als die Haltung der europäischen Mächte schwankend geworden war. Hatte die englische Regierung der Andrassy'schen Note nur zögernd zugestimmt, so war sie vollends abgeneigt, dem von Gortschakow entworfenen Berliner Memorandum mit der Androhung „wirksamerer Maßregeln" bcizutreten. Vielmehr entsandte sie ein Geschwader in die griechischen Gewässer, weniger in der angeblichen Ab sicht, ihre Staatsangehörigen vor möglichen Gewaltthätigkeitcn zu schützen, als im Falle eines russisch-türkischen Krieges das Osmanenreich in seiner Integrität zu erhalten, wie schon daraus hcrvorging, daß die Schiffe in der B esik n -Bai, Weber, Weltgeschichte. XV. 79