1236 L. Ncuksle Zeitgeschichte in ihrem äußeren Verlaufe. stähle sich hauptsächlich auf die Consortcria, eine den deutschen Nationalliberalcii entsprechende Mittclpartei, welche bei der Thkilnahmlosigkcit der Ultramontanen für das politische Leben Italiens in der gesetzgebenden Versammlung auf Monte» citorio mehrere Jahre hindurch in der Majorität war. Aber durch innere Spal tungen, die mehr in persönlichen Motiven und individuellen Interessen als in prinzipiellen Gegensätzen ihren Ursprung hallen, verlor diese Partei allmählich das Ucbcrgewicht, so daß das Ministerium Minghctti, als es bei einer Steucr- frage durch die Koalition der gegnerischen Fraktionen nicht die Stimmenmehrheit ^erlangte, seine Entlassung nahm, worauf der König ein neues Cabinct aus Mit gliedern der Opposition bildete. So kamen die Führer der Linken Deprctis und der Neapolitaner Nicotcra an das Regiment. Die Kammer wurde auf gelöst. In dem neugewählten Abgeordnetenhaus war die Mehrheit dem fort schrittlichen Ministerium zugethau. Wie iu Deutschland suchte auch in Italien die Staatsregierung den Einfluß der Hierarchie zu schwachen. Ein Gesetz über „die Mißbräuche der Cultusbeamtcn in Ausübung ihres Amtes" wurde nach langen erregten Kammerverhandlungcn schließlich durch die Anhänger der Doctrin ^i^>von der freien Kirche im freien Staat zu Falle gebracht; um so eifriger schritt man in dem Bestreben fort, den Schulunterricht zu verbessern, ihn von der Geist lichkeit zu cmancipireu und zu dem Zweck einen Theil des Vermögens der Pfar reien und Brüderschaften dem Staate und den Gemeinden zuzuwciscn. Aber bei aller Anerkennung der Fortschritte, die das italienische Staatslcben in der Ent wickelung der constitutionell-monnrchischen Grundlagen seit seiner nationalen Einigung gemacht hat, fühlt man doch, daß cs innerhalb des Rahmens seiner Verfnssungsformen au bedeutenden Gestalten und großen Gedanken fehlt, daß sehr oft kleinliche Parteikämpfc ohne höhere praktische Ziele das öffentliche Leben ausfüllcn. Nur die Treue und Hingebung des Volkes an den Re galantuonw, den Schöpfer und Vollender des' einheitlichen Königreichs Italien, blieb sich immer gleich. Mochten immerhin die gesetzgebenden Gewalten die monarchischen Machtbefugnisse auf ein geringes Maß herabsetzen; im Herzen des Volkes stand der Name des Königs stets in strahlendem Glanze. Dies trat besonders zu s.^n. Tage, als Victor Emanucl nach kurzer heftiger Krankheit zu seinen Vätern berufen 17. Ja», ward. Sein Leichcnbcgängniß gestaltete sich zu einem nationalen Trauerfcst. Kurz Ilir. 1878. nachher folgte ihm Papst Pius IX., dem er die weltliche Herrschaft entrissen,für den er aber stets eine kindliche Ehrfurcht im Herzen bewahrt hatte, ins Grab nach. Italic» Der neue König Humbert war der Erbe der väterlichen Krone und ""hümbiu? Volksgunst, sowie des redlichen Willens und Bestrebens, die Verfassung und die Grundrechte der Nation heilig zu halten Wohl schlug auch in der apenni- nischcn Halbinsel, der alten Heimath der Gehcimbünde und Complottc, die Socialdcmvkratie ihre Werkstätte ans und bedrohte mit ihren Unisturzplänen die inonarchische und gesellschaftliche Ordnung. Eine allgemeine Entrüstung trat hervor, als sich die Schreckensbotschaft verbreitete, der König sei auf der ersten