II. Geschichlsleben in den Einzelstaaten (Frankreich). 1V7 so sehr auch das persönliche Auftreten der schönen jungen Männer gefiel. In den Tuilcricn hatte man gewünscht, der Thronerbe möchte eine Erzherzogin als Braut hcimführen. Die Tochter des Helden von Aspern war dazu ausersehen. Graf St. Aulaire, persönlich beliebt in der Hofburg, sollte die Werbung ver mitteln ; die Erkorene selbst war der Verbindung nicht abgeneigt. Dennoch trug die lcgitmüstische Opposition den Sieg davon. Das projcctirte Ehcbündniß mit einer Habsburger Fürstcntochter kam nicht zu Stande. Desto erfolgreicher war die Werbung im Norden. Helene von Mecklenburg-Schwerin, die Nichte der verstorbenen Königin Louise von Preußen, eben so ausgezeichnet durch Bildung und persönliche Eigenschaften wie durch Geburt und Adel ihres Geschlechts, überwand die legitimistischen Vornrthcile und willigte, dem Unmuth und den Abmahnungen des verwandten Zarenhofes Trotz bietend, in die Heirath. Am 15. Mai verließ die Prinzessin die Heimath; in Fulda wurde sic von dem^"''^- Herzog von Broglie mit stattlichem Gefolge empfangen und nach Fontainebleau geleitet, wo die bürgerliche und kirchliche Eheschließung vollzogen ward. Die Geist lichkeit, an ihrer Spitze der Erzbischof Quclen von Paris, war der Ehe mit einer protestantischen Fürstin nicht hold; aber der aufgeklärte und tolerante König und seine gleichgesinnte Umgebung nahmen daran keinen Anstoß und die öffent liche Meinung stand ihnen zur Seite. Glänzende Volksfeste wurden veran staltet, das Museum in Versailles eröffnet, das den staunenden Beschauern „die Geschichte Frankreichs von den Künsten beschrieben" zeigte; Stadt und Hof wetteiferten in verschwenderischer Pracht; noch nie erfreute sich das Julikönig- thum solcher Popularität wie in de» festlichen Sommertagen des Jahres 1837. „Der düstere Schatten, den der furchtbare Unfall auf dem Marsfeldc, wo viele j^Jum Schaulustige im Gedränge ihr Leben verloren, über die allgemeine Freude warf, war bald zerstreut". Zwischen Thron und Nation herrschte Eintracht; der König schöpfte neue Hoffnung und Zuversicht. Diese freudige Stimmung wurde noch erhöht durch die bald daraus erfolgte Vermählung seiner talentvollen vielbewun- derten Tochter Marie mit Herzog Alexander von Mürtemberg. Die Dynastie er. O-wr. Orleans war ausgenommen in den Kreis der legitimen Höfe und die europäische Politik fing an Glauben zu fassen in den Bestand der Dinge. Zwischen Belgien und Holland wurden die letzten Hindernisse eines dauernden Friedcnszustandcs weggeräumt, indem König Wilhelm die „Vierundzwanzig Artikel" der Londoner Conferenz, welche den Besitzstand zwischen Belgien und Holland regelten, an zuerkennen beschloß. Aus Ancona und dem Kirchenstaat zogen die fremden Besatzungstruppen ab; vom Süden her verbreitete die Nachricht von der Erobe rung Constantine's lang entbehrte Siegcsfrcude in Frankreich. Auch die Marine hatte Erfolge anfzuweiscn: der Freistaat Hayti sah sich durch die Ankunft eines Geschwaders unter Dupetit-Thouars zur Entrichtung einer Entschädigungs summe an die ehemalige französische Colonic von St. Domingo genöthigt (XIV, 133) und ein anderes Geschwader unter dem Oberbefehl des Prinzen