Volltext Seite (XML)
1220 L. Neueste Zritgeschichlc in ihrem äußeren Verlaufe. Schreiben an Jules Simon mit Vorwürfen über seine schwache Haltung in der Deputirtenkammer, woraus hcrvorgche, daß er nicht den erforderlichen Einfluß auf die Abgeordneten besitze. Jules Simon und die übrigen Mitglieder seines Eabincts verlangten sofort ihre Entlassung. Darauf'bildete Mac Mahon ein neues Ministerium unter dem Präsidium von Broglie, in welchem nur Deca- zes für das Auswärtige und General Berthaut für den Krieg von den bisherigen Rüthen bcibehaltcn wurden; alle anderen Mitglieder, wie Fonrtou für das Innere, Brunet für das UntcrrichiSwesen, gehörten der klerikal-reaktionären Fahne an, zum Theil mit einem Anhauch von Bonapartismus. Gegenüber dieser Herausforderung erklärte die Kammcrmchrhcit ans Gambetta's Antrag, „daß sic nur Vertrauen haben könne zu einem Cabinet, das frei sei in seinem Handeln und entschlossen nach den republikanischen Prinzipien zu regieren, welche allein die Ruhe im Innern und den Frieden nach Außen zu erhalten vermöchten". Dies gab der „geheimen Ncbcnrcgicrung" im Elhsce, wo außer dem Herzog van Broglie die Marschallin und ihr Rathgeber, der Bischof Dupanloup von Orleans, das entscheidende Wort führten, die Gelegenheit, die Krisis zu einem Staatsstreich zu steigern. Man wollte die Wiederwahl Mac Mahon's nach Ablauf des Sep- tcnnats im Jahre 1880 sicher stellen. Eine Botschaft des Marschall-Präsidenten vertagte die Kammer auf einen Monat, „damit sich die Aufregung beruhige". Wenn die Sitzungen wieder ausgenommen würden, Hütten sich die Abgeordneten vor jeder anderen Angelegenheit mit dem Budget zu befassen; für den öffentlichen Frieden werde seine Regierung wachen. Diese von den Conscrvativcn als „sporn tarier Wiücnsakt" des Staatsoberhauptes gefeierte „rettende Thal" sollte nur das Vorspiel zu einer Auflösung sein, für die man den Senat zu gewinnen hoffte. Mit dem Rufe: „es lebe die Republik!" und mit einem würdigen Manifest an w. Ma>. die Nation, über die neue „Politik der Rcaction und der Abenteuer", ging die Majorität des Abgeordnetenhauses auseinander. Kaum hat noch je ein Monarch den ersten Reichskörpcr mit solchem Ucbcrmuth behandelt, wie das gewählt Oberhaupt der Republik. Und daß es auf eine vollslündigc politische Unikchr abgesehen sei, erkannte man an den ersten Handlungen der neuen Minister. Unter den Streichen Fourtou'S fiel eine Hekatombe republikanischer Vcrwaliungsbeanv len. Die Proskriptionen dehnten sich über alle Angestellten bis zum Feldhüter herab aus. Zugleich forderte Broglie in einem Rundschreiben die General-Pro- N. Mai. curatoren auf, ihre Energie und Wachsamkeit zu verdoppeln , um den Gesetze» Achtung zu verschaffen, welche die Moral, die Religion und das CigcntlM schützen sollen, besonders die Verbreitung falscher, die öffentliche Meinung ver wirrender Nachrichten durch die Presse strenge zu ahnden. Einige Wochen nach her wurde der reaktionäre Staatsstreich vervollständigt durch das Senatsdccret, Lr. Ium. welches die Deputirtenkammer auflöste. Die liberalen Mitglieder erließen cü> Manifest an die Nation zum festen Zusammenhalten bei den künftigen Wahlen, die dem Gesetze gemäß in drei Monaten stattsinden mußten, damit dieselben