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n. Die Jahre 1875 bis 188V in geschichtlichen Umrissen. 1213 aus Furcht vor den panslavistischc» Umtrieben und Verschwörungen und in der Besorgniß, ihnen selbst könnten die slavischcn Clemente über den Kopf wachsen, ihcils aus Haß gegen das Zarenreich, dem sic die Katastrophe von Vilagos nicht vergessen konnten, den Kaiserslaat zu einem Bündniß mit den Osmanen und zu einem Krieg gegen Rußland zu drängen sich bemühten, während man in Prag und Agram für ein Zusammengehen mit dem Zarenreich agitirtc, und in den hocharistokralischen Kreisen Wiens Einzelne sogar von einer Rückgewinnung der deutschen Kaiserkrone träumten. „Große Ideale", sagte Schmerling in einer Tischrede, „muß man mehrmals in Angriff nehmen, bis sie durchgeführt werden". Zwischen dieser Scylla und Charybdis führte Andrassy besonnen und vor- Anvi-ffv« sichtig das bedrohte Staatsschiff hindurch. Seine Absicht war, nicht Rußland allein Meister in den Balkanländern werden zu lassen, dem österreichischen Staat die Freiheit der Donauschifffahrt und den commercicllcn Verkehr milden Hinter ländern seiner langgestreckten Küsten an der Adria zu erhalten und seine Grenz lande gegen eine panslavistischc Propaganda sicher zu stellen. Konnte die Integrität der Türkei nicht erhalten werden, so lag cs im Interesse von Ocster- rcich-Ungarn, daß sich in der Balkanhalbinscl mehrere selbständige Staaten, ge ring an Macht und Umfang bildeten, die zu ihrer eigenen Sicherheit gegenüber der moscowitischcn Großmacht die Freundschaft und BnndcsgcnosscnschaftOester reichs erstreben mußten. Darum widerstand Andrassy sowohl den Lockungen Rußlands, gemeinschaftlich mit ihm zur kriegerischen Action zu schreiten, als dem Drängen der Magyaren, der bedrohten Türkei bcizuspringcn. Auch eine Allianz mit England zu einem activcn Vorgehen gegen die russisch - slavische Kriegspolitik gegenüber dem Osmanenreiche wurde von dem österreichischen Reichskanzler abgelchnt. Seine Politik war die des Zuwartcns, bis unter den Wechselfällen des Kriegs der rechte Moment zum Einschreiten hcrvortretcn würde. Gestühl auf das Dreikaiserbündniß, suchte er die österreichischen Interessen zu schützen, zunächst durch möglichst lange Bewahrung des Friedens, „im Ucbrigen aber bei einer endgültigen Lösung der Orientfrage sich denjenigen Antheil an der erledigten Masse zu sichern, der in Oesterreichs unmittelbarer Machtsphäre liegt und einen Gebietszuwachs zur Folge haben würde, welcher dem schmalen dalmatinischen Küstenstrich das zu seiner gedeihlichen Entwicklung unumgänglich vothwendige Hinterland Bosnien und die Herzegowina sichern würde." Sollte er den von finanziellen Calamitätcn gedrückten Kaiserstaat voreilig in den Krieg stürzen? In den auswärtigen Angelegenheiten suchte daher das Wiener Cabinct wit Deutschland im Cinverständniß zu bleiben, wenngleich in inneren Dingen, besonders in Beziehung auf Handels- und Zollwesen die Interessen oft weit auseinander gingen. Das „bosnische Mandat", das im Innern des Doppel- reiches neue Parteizersetzungen bewirkte, führte eine größere Annäherung der beiden Nachbarstaaten herbei. Bismarck und Andrassy erkannten, daß sie in der Gestaltung der Dinge der Balkanhalbinscl gleiche Interessen haben, nämlich dem