1212 L. Neueste Zeitgeschichte in ihrem äußeren Verlaufe. äußerste Linke nach einem Magyarcnrcich mit voller Selbständigkeit und Anto- nomie, höchstens mit einer Personalunion in dem monarchischen Oberhaupte Mit der Zeit gelang cs jedoch dem besonnenen Staatsmann Franz Dcak, dcr Uebcrzeugung Eingang zu verschaffen, daß dcr Ausgleich vom Jahr 1867 siir Ungarn vorthcilhaftcr sei als eine vollständige Trennung. Auch die Führer der Linken, Tisza und Ghiczy, befreundeten sich mit diesem Gedanken. So bildete sich eine „Deakpartci", die, mehr und mehr an Umfang und Bedeutung gewinnend, allmählich die öffentliche Meinung beherrschte. Ihr Ziel war, im Anschluß an Oesterreich die vaterländischen Interessen Ungarns auf Grund der bestehenden Organisation nach Kräften zu fördern. Koloman Tisza trat an die Spitze des Ministeriums und suchte mit Hülfe der vereinigten „liberalen Partei" zunächst die wirthschastliche und finanzielle Lage des transleithanischc» König reiches durch Zoll- und Handelsverträge mit dem westlichen Kaiserstaat und durch eine Verständigung und Ausgleichung über die ungarische Notenbank aus dem zerrütteten Zustande zu retten. Allein bei den übertriebenen Anforderungen zu Gunsten Ungarns, wodurch die magyarischen Interessen ungebührlich voran gestellt wurden und das Nachbarreich allzuschwcr und ungleich belastet worden märe, zogen sich die „Ausgleichs-Verhandlungen" Monate lang hinaus, so daß selbst in Wien vielfach die Frage erwogen wurde, ob nicht eine völlige Trennung oder eine bloße Personal-Union einem solchen opservollen Bunde vorzuziehcn sei? Der gemäßigte von edlem Vaterlandsgefühle beseelte Franz Dcak war un- ermüdlich bestrebt, ein einträchtiges Zusammenleben zu begründen. Sein Tod war daher ein Nationalunglück für beide Staaten. Erst im Mai 1876, als die kriegerischen Verwickelungen in dcr Balkanhalbinscl, die, wie wir bald er fahren werden, den österreichischen Grenzländcrn sehr große Belästigungen zn- fügtcn, in Pest wie in Wien eine Verständigung über die eigenen Angelegcn- «hcjten als nothwendig erscheinen ließen, wurde die „Sisyphus-Arbcit" des Aus ¬ gleichs zwischen den Ministerien Auersperg und Tisza durch die „Maistipulationen der Vollendung cntgcgcngeführt. Man kam überein, das Zoll- undHaudelsbnud' niß auf weitere zehn Jahre zu erneuern und die Nationalbank in ein dualistisches Bankinstitut umzuwandcln, ein Compromiß, das jedoch iu beide» Reichshälften aul heftigen Widerspruch stieß und neue erregte Verhandlungen in beiden Hauptstädtcn 3""' Folge hatte. In den ersten Wochen des folgenden Jahres war man noch so weit von einer Verständigung entfernt, daß beide Ministerien um ihre Entlassung cinkamcn, die der Kaiser jedoch nicht bewilligte. Bis tief iu das Jahr 1878 dauerte die Spannung fort, so daß das Cabinet Auersperg zuletzt uur noch als „Ausgleichsministcrium" ein provisorisches Dasein führte, bis nach einer längeren Krisis ein vollständiger Cabinctswechsel cintrat, und das Ministerium Taafse- i87s. Stremayer an die Spitze der Staatsgeschäftc trat. Die orientalischen Angelegen ¬ heiten machten der Wiener Regierung das Leben noch schwerer und erweiterten den Riß in dem Dölkcrgcmcnge des Donaurciches, indem die Magyaren thcils