1204 L. Neueste Zeitgeschichte in ihrem äußeren Verlaufe. seine Wirtschaftspolitik nach einer neuen Stiche um nnd schleuderte da- ge flügelte Wort in die Welt, er werde seine Bundesgenossen nehmen, wo er sic finde. „Er versprach zunächst den Agrariern Kornzölle, wenn sie die industrielle» Zölle sich wollten gefallen lassen, und um die Schlchzölle überhaupt durch;»- bringen, ociroyirte er den sämmllichcn Schußzöllncrn die Erhöhung der Finanz- zölle und suchte daun für das unthcilbarc Ganze die geschloffene Unterstützung — des CentrumS". Dieses politische Kampfspicl führte zu den gewünschten Re sultaten. Mit Hülfe der Eonscrvativcn und der Centrumsmänncr, die bei dieser Gelegenheit die Liberalen „an die Wand zu drücken" und den Reichskanzler von ihnen zu entfernen hofften, setzte Fürst Bismarck seine Steuer- und Zollvorlage» durch, und wenn er auch das gewünschte Tabakmonopol vorläufig fallen ließ und sich mit einem höheren Zoll für den fremden und einer Vermehrung der Steuer auf den einheimischen Tabak begnügte, so wurde doch durch das Cartel der industriellen und agrarischen Schutzzöllner und den Beistand des Lcntnn»? die Steuer- und Zollpolitik des Fürsten im Ganzen durchgcführt und die von der Commission Varnbüler-Ticdcmann-Bötticher ausgestellten Tarifsätze mit einigen Veränderungen und Abschwächungen angenommen. tznttassang Freilich mußte der Reichskanzler dafür an die Coalition nicht unerhebliche Zugeständnisse machen. Daß er dem welfischcn Ccntrumsführcr Windthorst Z» Gefallen die Auszahlung des Wittwcngehalis an die Königin Marie von H»»' novcr und ihre Töchter anordnclc, war nicht von Belang ; um so größer M das Opfer, das er den llltramoutanen durch die Entlassung des Cultusnümsters Falk brachte. Der Urheber der Maigesctzc war der römisch-katholischen Partei ein Dorn im Auge; und so ließ cs denn der Fürst, um das Ccutrum für sen" volkswirthschaftlichcn Zwecke geneigt zu machen, geschehen, daß der Kaiser das Eutlassungsgesuch des freisinnigen Staatsmannes, der unter dem Anstürme der retrograden Strömung sein System nicht länger aufrecht zu halten hoffen konnte- genehmigte. Noch selten hat ein Minister bei seinem Rücktritte vom Amte sich so sehr der Sympathien des Volkes unter allen Klassen zu erfreuen gehabt, der Begründer der weitherzigen Reformen auf dem Gebiete des Kirchen- Schulwesens. Man ahnte, daß sein Abgang auch iu Beziehung auf die innerc» idealen Güter des Staatslcbcns der Anfang einer rückläufigen Strömung st^ würde. Die Persönlichkeit seines Nachfolgers, des Herrn v. Puttkamer u»d die Wege die dieser einschlug, waren nicht danach angethan, die Befürchtung^ zu verscheuchen. In der evangelisch-orthodoxen August-Coufcrenz verspürte m»" schon mit Befriedigung „den wohlthätigeu Hauch der Rcaction" und wünschtc- „daß Gott einen fröhlichen Fortgang geben möge". Als vollends unter den Äm spielen Puttkamcr's im Spätherbst die erste ordentliche Gcncralsynode der prcN' ßischen Landeskirche abgehalten wurde, hatten die beiden orthodoxen RichtungcN- die lutherisch Consessionclleu und die „positiv Unirten", so sehr das Ucbergclvicht- daß Beschlüsse durchgesctzt werden konnten, durch welche die Kirchcuverfassung