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1202 L. Neueste Zeitgeschichte in ihrem äußeren Verlaufe. dem Reichskanzler und der nationalliberalen Partei, die schon seit einiger Zeil obgcwaltet, zu verschärfen. Z-U«'" Die Spaltung zwischen dem Kanzler und den liberalen Männern, die ihi» bish^ tapfer zur Seite gestanden und ihn bei den schöpferischen Arbeiten des Verfaffungsbaucs des Reichs treu unterstützt hatten, wurde noch erweitert durch die Aendcrungcn in der wirthschaftlichcn Gesetzgebung. Dem neuen Reichstag, s-d,. ihrs, her im Februar zusammcntrat, war die große Aufgabe gestellt, die schwic- eigen Fragen der Steuerreform und der Aufstellung eines nenen, autonome» Zolltarifs zu lösen. Der Reichskanzler hatte zur Vorbereitung dieser Vorlage» "-Dttbr. rme Commission unter dem Vorsitz des hochschutzzöllncrischcn Rcichstagsabg!' ordneten und früheren würtembergischen Ministers v. Varnbülcr eingesetzt und in einem das größte Aufsehen erregenden Schreiben sehr weitgehende protcclioni' stischc Grundzüge für die künftige Gestaltung des deutschen Zolltarifs ausgestellt >2. r-b-. der von dem Kaiser verlesenen Thronrede wurde den auf mirthschaftlichem Ge biet mit den Bundesregierungen vereinbarten Vorschlägen der Zweck beigclcgl „durch Beschaffung neuer Einnahmequellen für das Reich die einzelnen Re gierungen in den Stand zu setzen, daß sic auf Fortcrhebung derjenigen Steuer» zu verzichten vermögen, welche sic und ihre Landesvcrtretungcu als die m» schwersten aufzubringcnden erkennen", und dann die Richtung, nach welcher die Acnderungen vorgenommen werden sollten, des Weiteren in folgenden Sätzen an gegeben : „Zugleich bin ich der Meinung, daß unsere wirthschaftliche Thätigkc» in ihrem gcsammteu Umfange auf diejenige Unterstützung vollen Anspruch ha>- welche die Gesetzgebung über Steuern und Zölle ihr zu gewähren vermag und i» den Ländern, mit denen wir Verkehren, vielleicht über das Bedürfniß hinaus ge währt. Ich halte cs für meine Pflicht, dahin zu wirken, daß wenigstens der deutsche Markt der nationalen Production in so weit erhalten werde, als dies mit unsern Gesammtintercssen verträglich ist und daß demgemäß unsere Zoll' gesetzgebung den bewährten Grundsätzen wiederum näher trete, auf welchen die gedeihliche Wirksamkeit des Zollvereins fast ein halbes Jahrhundert beruht und welche in unserer Handelspolitik seit dem Jahre 1865 in wesentlichen Theils verlassen worden sind. Ich vermag nicht zu erkennen, daß tatsächliche Erfolgt dieser Wendung unserer Zollpolitik zur Seite gestanden haben". Damit die Ziele der neuen Steuer- und Zollpolitik in allgemeinen Zügen angedeulck Wir wissen, daß der Kanzler schon früher die Absicht kundgcgcben, das Reich finanziell unabhängig zn stellen, durch Erhöhung der indirekten Steuern die Be dürfnisse zu beschaffen, so daß die jährlich von den Einzelstaaten zu leistende» Matricularbeiträge beseitigt oder doch vermindert, ja aus den Nebcrschüssen dü Ncichscinnahmen die Mittel zu umfassenden Steuerreformen in den Einzelstaalc», zu Herabminderungen der direkten Staats- und Communalsteuern gewönne» werden könnten. In erster Linie dachte er an die Einführung eines Tabak monopols nach dem Vorgänge anderer Staaten, wie Frankreich, Oesterreich,