Volltext Seite (XML)
II. Die Jahre 1 875 bis 1880 in geschichtlichen Umrissen. 1201 Die nächsten zwei Jahre nach dem Schlüsse des Berliner Fricdenscon- grcsscs waren für das deutsche Reich und Preußen wichtig und ereignisreich, weniger durch geschichtliche Begebenheiten auswärtiger und europäischer Politik, als durch tiefeinschncidcnde Gesetzgebungsexperimente auf dem wirthschaftlichcn und kirchenpolitischcn Gebiete. In dem auswärtigen Amte zeigte Fürst Bismarck nach wie nor seine Meisterschaft und seinen weiten großartigen politischen Scharf blick: Wir werden in den folgenden Blättern erfahren, wie er als Schußwchr gegen die immer offener hcrvortrctendc unfreundliche, ja feindselige Gesinnung der Mgrussischcn panslavistischcn Nationalpartci ein Bündniß oder doch einen näheren Zusammenschluß zwischen Deutschland und Oesterreich zu Stande brachte und den Kaiser Wilhelm, der mit innerem Widerstreben von der traditio nellen Familienpolitik seines Hauses abging, durch seinen mächtigen Geist und Einfluß bewog, das neuc Bundcsverhältniß zu genehmigen und damit die Periode bes Mißtrauens und der Rivalität, die so lange zwischen beiden Staaten ob- gewaltct, zu schließen. Wir werden bei Gelegenheit der Verwickelungen in den orientalischen Streitfragen mit Gcnugthuung erkennen, wie der deutsche Kanzler allenthalben für Erhaltung des Friedens und für Durchführung der Congrcß- bestimmungcn in der Balkanhalbinsel, für die Wahrung der deutschen Rechte und Interessen in Aegypten erfolgreich wirkte und dem deutschen Reich die ge wonnene Machtstellung zu erhalten bemüht war. Auch in den Gewässern Süd amerikas und Australiens kreuzten deutsche Schiffe, dort zum Schutze der Reichs angehörigen während des zwischen Chile und Peru entbrannten Krieges (S.843), hier zur Seite der Kunst und Industrie Deutschlands bei Gelegenheit der Welt ausstellungen in Sidney und Melbourne. Zugleich suchte der Fürst nach dem ^cispiclc der übrigen Großstaatcn für Deutschland eine Colonisationspolitik zu lchaffcn, als deren Feld sich dic Inselwelt der Südsee darbot. Zunächst wurde ün Meistbcgünstigungsvertrag mit der Regierung der Samoa-Jnseln zu Stande ^bracht. Die großen Handclsctablisscments und kaufmännischen Verbindungen, das Hamburger Haus Godeffroy in jenen Gegenden besaß, sollten als Grundlage und Mittelpunkt für weitere Niederlassungen dienen. Als aber das ^nannte Handelshaus in Concurs gcrieth, vielleicht mitveranlaßt durch englische Eifersucht, suchte dic Rcichsrcgicrung, um zu verhüten, daß die deutschen Bc- Wungen auf den Samoa-Jnseln in fremde Hände übergingen, eine neue deutsche ^üdsee - Gesellschaft unter Garantie des Reichs ins Leben zu rufen, welche die ^otiva und Passiva des genannten Hauses übernehmen und den Fortbestand des Handelsverkehrs mit der Südsee in deutschen Händen sichern sollte. Der Vor- ^iag scheiterte jedoch an der starken Opposition des Reichstages, dessen Mehrheit Geschäft zu unsicher und gewagt fand, um es mit Reichsmitteln zu unter setzen. Der Widerspruch ging besonders von den Nationalliberalen und Fort- ichrittsmännern aus und trug nicht wenig bei, den Fürsten Bismarck gegen ^se Fractionen zu verstimmen und die Erkaltung und Entfremdung zwischen W-bcr, Wiltgkschicht!. XV.