1192 k Neucstc Zeitgeschichte in ihrem äußeren Verlaufe. lichc Positivismus in den hohen Gesellschaftskreisen immer mehr Boden gewann und im nächsten Johr die erhaltenden und rückläufigen Tendenzen auf staatlichem und kirchlichem Gebiete schärfer sich hcrvortbalcn, erhielt Herrmann seine Entlas sung in ehrenvoller Anerkennung seiner Bcrdienste. Aber auch sein großes Werb die Synodalordnung, war in Frage gestellt, als der Obcrkirchcnrath dnnb zwei Glieder von streng orthodoxer Richtung, die Hofpredigcr Kögel und Baur, deren Werk Herrmanns Sturz hauptsächlich gewesen war, verstärkt wurde. S^un, d-r Der Ruf nach einem Rcvanchckrieg trat in den ersten Monaten des Jahre? Au««»»-. 1875 wieder lauter hervor. Das Drcikaiscrbündniß vom September 1872 (S. 1100) war in den Augen der Franzosen eine Erneuerung der heil. Mauz, der man durch eine Bermchrung der militärischen Streitkräfte begegnen zu müssen glaubte. Wie sehr die Berliner Regierung sich Mühe gab, jeden Verdacht krie gerischer Absichten zu zerstreuen, die bedeutenden Pfcrdcaufkäufc von Seiten '2 Frankreichs, das französische „Cadresgcsch", welches durch Verstärkung der Re gimenter den Bestand der Gesammtkriegsmacht um 144,000 Mann erhöhte, und eine Vorkehrung, wodurch die Mobilmachung des aktiven Heeres rascher al? bisher ins Werk gesetzt werden konnte, waren bedenkliche Symptome. In den Blättern wurde die Frage erörtert: „Ist der Krieg in Sicht?" Die deutsche Re gierung war auf ihrer Hut. Sie erließ zunächst ein Verbot der Pfcrdcausfuhc und entwickelte nach allen Seiten hin eine solche Wachsamkeit, daß die drohenden Wolken sich verzogen. Nicht wenig mag dazu Kaiser Alexander bcigetragcn haben, der auf seiner Durchreise nach Ems mit Gortschakoff drei Tage in Berlin ver weilte und für Erhaltung des Friedens in Europa wirkte. Wenigstens ver stummte das Kricgsgeschrci der französischen Blätter und in Paris -suchte man dem militärischen Organisationswcrk jeden drohenden Character zu benehmen. Die Art indessen, wie der russische Staatskanzler die pacificatorischcn Dienste des Zarenreichs bei dieser Gelegenheit kund gab, war nicht taktvoll und erregte i" Berlin einige Verstimmung. Die Zusammenkunft des russischen und des dcM- schen Kaisers in Berlin konnte als Gegenstück gelten zu der vorausgegangeucn 5. s. April. Zusammenkunft des österreichischen Monarchen mit dem König von Italien. Bei Gelegenheit einer Reise nach Dalmatien machte nämlich Franz Joseph dem König Victor Emanuel einen Gegenbesuch in Venedig. Dieser Monarcheuconferenz wollte man den Plan einer katholischen Liga unterlegen, in welcher Oesterreich, Italien und Frankreich unter der Acgide des Papstes sich zu einer gemeinsame» Politik vereinigen sollten, daher auch die anfangs in Aussicht gestellte italienische Reise des Kaisers Wilhelm unterblieb. Gern hätte England unter der Maske einer „Friedcnsmediation" der, wie man in London behauptete, mit Unrecht ver dächtigten und bedrohten Republik sowie den befreundeten Staaten Italien uns Oesterreich die Hand gereicht, um das Drcikaiscrbündniß zu Fall zu bringen; aber weder Bismarck noch Andrassy ließen sich durch die Sirenenstimmcn ver locken. Man hörte die Meinung äußern, daß Graf Beust, der österreichische