II. Geschichtsleben in den Einzelstaaten (Frankreich). 103 thüinliche Gesetze die Mittelklassen zu gewinnen und an das bestehende Staats wesen zu knüpfen, benutzte die Juliregierung jeden Aufstand, jeden Mordanfall, jede demokratische Regung zur Beschränkung der durch die Charte gewährleisteten Rechte und zur Schürfung der Rcpressivmaßregeln. Man buhlte uni die Gunst der absolutistischen Contincntalinächte, um sie mit der Dynastie Orleans auszu- söhnen; man versagte der liberalen Negierung in Madrid die früher in Aussicht gestellte Unterstützung; inan vernachlässigte den Bund mit England. Die in Folge des Ficschi-Attcntats erlassenen Septem bergksetze, welche die periodische i»Z5. Presse durch hohe Cautioncn fesselten und unter strengere Aufsicht stellten, durch Einführung geheimer Abstimmung bei den Schwurgerichten und durch Ausdeh nung der Strafe auf die Abwesenden (in oontnrnaoiarn) die richterlichen Er kenntnisse zu schärfen, durch Abkürzung der Procedur und andere Bestimmun gen die Gewalt und Autorität der Justiz zu erhöhen suchten, bedrohten wie ein Damoklesschwert die Preßfreiheit und die persönliche Sicherheit. In der Vorstellung des Volkes galten sie wie im Ansang der Revolution das königliche Veto als Mittel und Werkzeuge einer unerträglichen Tyrannei. Vergebens wi dersetzte sich die von Odilon Barrotu. A. geleitete Linke, diesmal unterstützt durch die gewichtige Stimme des alten royalistischen Staatsmannes und Philo sophen Royer - Collard, diesen retrograden Maßregeln; die ministerielle Mehr heit, von dem Wahne befangen, daß der aufstrebende Demokratismus nur durch Schrecken im Zaume gehalten werden könne, und daß die liberale Presse einzig und allein die in den untern Klassen herrschende Gährung und Unzufriedenheit erzeugt habe und nähre, billigte alle Beschränkungsgesctze. Im sichern Vertrauen auf die durch Wahlbeherrschung und Corruption bei jeder Kammererncucrung erlangte Majorität schritt die Regierung auf der betretenen Bahn fort und isolirte sich immer mehr von der Nation; durch ihre Einwirkung auf die Wahl der Ge- schworncn schwächte sie sogar das Vertrauen auf das volksthümliche Institut der Schwurgerichte. Die Staatsanwaltschaft wurde nicht müde immer neue Hoch- verrathsprozcsse cinzuleiten; Hunderte befanden sich in Untersuchungshaft, bis das Urthcil gefällt werden konnte. Oppositionsblätter, wie die „Tribune" und der „National" hatten zahllose Prozesse auszuhalten, die häufig genug Gcfängniß oder Geldbußen über die Redacteure brachten. Kurz nachher fiel Armand Carrel im Zweikampfe mit Emil Girardin. An seiner Stelle übernahm Marrast rr. Juii i83s. die Redaction des „National", ein Wechsel, wodurch die oppositionelle Haltung noch verschärft wurde. Der Charakter der Regierung wurde wenig geändert, als das Ministerium vom 11. October in Folge einer von dem Finanzminister Humann vorgeschlagenen, von den gesetzgebenden Körperschaften verworfenen Rentcurcduction sich auflöstc, die Häupter der Doctrinüre Broglie und Guizot austratcn und Thiers die Bildung eines neuen Cabinets aus der Mittelpartei des Abgeordnetenhauses übernahm. Denn auch unter dem neuen Regiment wurde ^Pbr.