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I. Erstes Lustrum nach dem Frankfurter Frieden. 1159 Aera der Revolution, so würde jetzt die zweite durch die Restauration des Bour- bon'schcn Königthums geschloffen werden, eine christlich - gläubige Wcllordnung zurückkchrcn. Der Legitimismus, der so lange nur in einigen altadeligen Ge sellschaftskreisen ein gcspennerarligcs Dasein geführt, gleich einer Mumie iu Todesschlummer gelegen Halle, schien zu neuem Leben erwachen, einen neuen Aufcrslchungsmorgcn feiern zu sollen. Diesen goldenen Traum in Wirklichkeit zu verwandeln, das zerrissene un- ra waß- fertige Staatswesen Frankreichs durch die Verbindung von Thron und Altar wieder zu der alten monarchischen Einheit und Krast zurückMührcn, war nun mehr das eifrigste Bemühen der Royalisten und Klerikalen in der Versailler Nationalversammlung wie ihrer Gesinnungsgenossen in den alten Aristokraicn- familicn und unter der Geistlichkeit; und wie wenig auch die bürgerlichen Kreise der Nation für die Ideen und Anschauungen einer untcrgcgangencn Welt Ver- ständniß und Empfänglichkeit zeigten: bei der Beweglichkeit und Wandelbarkeit des französischen Volkes, bei seiner Neigung für das Reue und Ucbcrraschcndc, und bei der Macht, welche ein bestehendes Regiment, zumal wenn der einfluß reiche Klerus ihm seinen Beistand leistet, auf die Gemüthcr und die Denkungsweisc der Menschen übt, konnte ein gelungener Umschwung iu der staatlichen Ordnung leicht auch einen Umschwung in der Gesinnung, eine Wandlung des herrschenden Zeitgeistes erzeugen. Und so entwickelte denn in den Herbstmvnalen die mon- acchisch-klcrikale Partei eine fieberhafte Thätigkeit, um auf dem Wege der Unter handlung und Verständigung ein politisches Ziel zu erreichen, welches durch die Verbindung der Gegenwart mit der Vergangenheit Frankreich einer glück lichen Zukunft entgegcnführen sollte. Zunächst galt es die „Fusion", welche in der Dynastie sich vollzogen zu haben schien, auch unter den beiden Parteien in der Nationalversammlung, den Legitimisten und Orleanistcn zu begründen; denn ohne dieses Zusammengehen konnte für eine Herstellung der Monarchie keine Mehrheit gewonnen werden, zumal da der Präsident, wenngleich dem Plane nicht entgegen, doch keine Begeisterung dafür zeigte. Aber schon bei diesen Be sprechungen trat die Verschiedenheit der Prinzipien zu Tage: wie der Graf von Paris durch seinen Besuch in Frohsdorf nur andcuten wollte, daß er seine An sprüche auf den Thron denen des älteren Familicnhauptes unterordne, daß er dem Bourbon den Vorrang cinräume iu der Absicht, dereinst der natürliche Erbe des kinderlosen Greises zu werden, daß er aber die politischen Anschauungen und Grundsätze des Orleans'schen Hauses nicht aufzugeben gewillt sei; so zeigte sich auch unter den beiden Gruppen der Monarchisten eine prinzipielle Verschiedenheit der Ansichten und Bestrebungen. Nach der Auffassung der Legitimisten und ihres Hanptcs sollte der Enkel Karlls X. als der einzig berechtigte Inhaber der Krone von der Nationalversammlung einfach zurückbcrufen, alles Weitere ihm vertrauensvoll überlassen werden; denn jede Bedingung, die man ihm aufer lege, würde sein Erbrecht in Frage stellen, sein göttliches Prinzip auf eine Linie