Volltext Seite (XML)
I. Erstes Lustrum nach dem Frankfurter Frieden. 1055 seiner getreuen und zuverlässigen Anhänger minderte sich unter der Hand. Die Constituirung der definitiven Republik, die er in seiner Botschaft vom 13. No vember 1872 empfohlen, mit der Auflösung der Nationalversammlung im Gefolge, wurde im Lchooße des Dreißiger-Ausschusses, der darüber berathcn und berichten sollte, begraben und dafür ein Gcsctzcsvorschlag über die Befugnisse des Präsidenten gegenüber der Nationalversammlung eingcbracht, welcher das unmittelbare Eingreifen des Chefs der Executive in den Geschäftsgang und den darauf beruhenden persönlichen Einfluß desselben beschränken sollte. Zn den politischen Differenzen gesellten sich noch kirchliche. Je mehr in Deutschland die Opposition gegen den Uliramontauisnms hcrvortrat, desto mehr stellten die ton angebenden Kreise in Frankreich ihre papistischc Gesinnung, ihren politisch-kleri kalen Katholicismus zur Schau. Man begünstigte Wallfahrten, man belebte einen Aberglauben und Wunderglauben, einen Marien- und Hciligcncult, wie er im Mittelalter nicht krasser zu finden war, man erstickte die altkatholischcn Regungen im Keim; die Präfekten erließen entehrende Verordnungen gegen die Protestanten, wie in den Tagen Ludwig's XIV. Diesem heuchlerischen und bigotten Gebühren, das wie eine Maske den inneren Unglauben, die irreligiöse frcigeistige Gesinnung des größten Theiles der Nation verhüllte, waren die Republikaner, waren alle aufgeklärten vernünftigen Männer, waren auch Thiers und der mehrjährige Präsident der Nationalversammlung, Grevy, nicht zugcthan. In Lyon hatte der Gemcindcrath dem klerikalen Schulwesen ein Ende gemacht; die ultramontanen Abgeordneten auf der Rechten forder ten, daß die Regierung Abhülfe schaffe durch Abänderung der Gemcindevcr- sassung; bei der stürmischen Debatte wurde gegen einen klerikalen Eiferer der Ordnungsruf ausgesprochen: seine Gesinnungsgenossen wollten die Rüge nicht gelten lassen. Dadurch sah sich Grevy, eiue der zuverlässigsten Stützen von Thiers, bewogen, den Vorsitz uiederzulegen. Darauf wählte die monarchisch klerikale Mehrheit einen der Ihrigen, den Abgeordneten Buffet zum Präsiden- ten ; die Radikalen dagegen bewirkten, daß bei einer Ergänzungswahl in Paris der abgesetzte Maire von Lyon, Baraudct, in die Nationalversammlung gewählt ward. Nicht nur der Caudidat der Rechten, sondern auch der Minister Remusat, den die konservativen Republikaner begünstigte», blieb in der Minderheit. Dieses Hcrvortretcn der Demokratie führte die monarchistischen Elemente aller Schat- tirungen einander näher. Unter solchen Umständen war es für Thiers ein gewagtes Unternehmen, Mac Mab°n als er der Nationalversammlung gleich nach den Osterferien Entwürfe zur Er->^8»" richtung einer ersten Kammer, zu einem Wahlgesetz und zu einen: Gesetz über dicMamsrz. Befugnisse des Präsidenten voclegte und sic nochmals zur definitiven Procla- nürnng der Republik aufforderte. Er selbst hatte kurz zuvor die Reihen seiner Gegner verstärkt, indem er bei einem Wechsel im Ministerium nicht zu dem rechten Centrum griff, sondern den gemäßigten Republikaner Casimir Peri er aus 73*