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1154 L. Neueste Zeitgcschichlc in ihrrin äußeren Verlaufe. verschuldet haben sollte. Monate lang wurde er in Versailles in Gewahrsam gehalten, während man die Vorbereitungen zu dein großen kriegsgerichtliche« Schauspiele traf, das dann im folgenden Zahr unter der Leitung dcS Herzogs von Aunialc in Scene gesetzt ward. ,P°w>sch- Noch ehe der großartige Prozeß gegen Bazainc, wozn man Stoße von "«<«knsä»k. Akten herbcischafftc, Tausende von Zeugen entbot, auf welchen die Augen von ganz Europa wochenlang gerichtet waren, zur Emschcidnug kam, erfüllte sich das Schicksal des Präsidenten Thiers. Es war ein cigcnthümlicheS Zusammen treffen, daß zu derselben Zeit, da Thiers durch beschleunigte Abtragung der mxh rückständigen Kricgsschuldtermiuc an das deutsche Reich seiner patriotische« '5 Thätigkcit die Krone aufsetzte und durch einen neuen Vertrag über den Abzug der preußisch-deutschen Occupationstruppcn bei der sranzösischen Nation höher als je in Gunst stand, sein Ansehen in der Versailler Versammlung mehr n«d mehr dahinschwand, die Opposition nicht blos auf den beiden äußersten Flügel«, sondern selbst im Centrum mehr und mehr Boden gewann. Seitdem Kaiser Napoleon III. in seinem englischen Bcrbauuungsort Chislchurst in Folge einer s. Jan. ins. schmerzhaften Operation ans dem Leben geschieden war, entwickelten die An hänger der alten Monarchie eine größere Thätigkcit als zuvor. Wenn auch in ihren Zielen und Bestrebungen weit auseinander gehend, da die Einen dB Grafen von Chambord die Krone zmvcnden wollten, die Anderen für die Orleans arbeiteten, eine dritte Partei, an ihrer Spitze Rouhcr, den jungen Napoleon, der sich dem Alter der Mündigkeit näherte, als Prätendenten aufstellte, so waren sie doch in dem einen Punkte einig, daß sie die Erklärung der Republik als bleibender Verfassungsform Frankreichs aus allen Kräften zu verhindern, d«' Monarchie im Prinzip aufrecht zu erhalten suchten. Die republikanische Staats form, wie sic durch die Verhältnisse und die politische Lage von selbst sich aas' gedrängt hatte, möchte immerhin als Provisorium fortbestchen, mittlcrwcib könnte die monarchische Idee sich mehr und mehr fcstsetzen und ausbrciten, die Umstände eine dynastische Restauration begünstigten oder möglich machte Nun wissen wir aber, daß Thiers, obwohl theoretisch in seinen Ansichten Traditionen mehr zur constitutionellen Monarchie hinneigend, die „conserval^ Republik", die Republik der „ehrlichen Leute" für diejenige Staatsforni Hieb- Re unter den obwaltenden Zeitverhältnissen in Frankreich allein möglich sti- unter welcher die verschiedenen politischen Parteien am ersten für das Wohl db Nation znsammcnwirkcn könnten; daher war sein Streben ans den Ausbau «^ die definitive Befestigung der republikanischen Staatsordnung gerichtet. D« nothwendige Folge dieser Politik war, daß er immer mehr zur Linken hinncigb und dadurch sich nicht blos von der dynastisch gesinnten Rechten entfremdete, sondern auch in den beiden Cenlren, auf die er sich bisher hauptsächlich gestW- aus denen er seine Minister gewühlt hatte, allmählich an Boden.verlor. Sympathien der Versammlung wandten sich im Stillen von ihm ab, die