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II. Gcschichtsleben in dcn Einzelstaaten (Frankreich). 99 Kämpfen in der inneren Stadt wie in den Vorstädten, wurde das von General Aymar befehligte Militär Meister der Volkserhebung. In ganz Südfraukreich zitterte die Bewegung nach und in Paris erfolgte abermals ein Barrikadenkampf, der nur durch das energische Eingreifen der Nationalgarde unter Lobau und der Linienregimenter unter Bugeaud niedergckämpft ward. Auch hier kam es zu gräuelhafteu Mordsceucn. Noch Jahre lang erzählte sich das Pariser Volk non dem „Blutbad der Rue Trnnsnonain". Aber die Regierung erlangte einen voll ständigen Sieg. Sie benutzte den Eindruck zur Erlassung eines Gesetzes gegen 2s. Mai. Waffenhehler, zur Auflösung der Dcputirtcnkammer und zur Einleitung eines umfassenden Gerichtsverfahrens gegen die Urheber der Aufstände in beiden Hauptstädten und gegen die gefangenen Insurgenten. Eine neue Aera des poli tischen Lebens stand in Aussicht, als Lafayette aus der Welt ging. „Mit ihm 20. Mm. schwand das letzte Glied der Kette, welches die Freunde der gesetzlichen Freiheit an die Umsturzpartei gebunden. Wer ferner am politischen Kampfe Theil nehmen wollte, fand keine zweideutige Fahne mit glänzendem Namen mehr, unter die er sich und seine Halbheit flüchten konnte; cs hieß: hie Welf, hie Waiblingen!" Einige Tage zuvor hatte der „Monsterprozeß" gegen die Theilnchmer der April aufstände vor dem hohen Pairshof in einem eigens dazu errichteten Gebäude be-s-Mm rssi. gönnen. Von zweitausend Gefangenen wurden nur cinhundcrtcinundzwanzig in Anklagestand versetzt und in Verhör genommen. Die Weltgeschichte hat kaum ein anderes Gerichtsschanspiel aufzuwciscn, bei dem solche Leidenschaftlichkeit, so viel Trotz und Widersetzlichkeit von Seiten der Angeklagten, so viele aufgeregte uud tumultuarischc Sceuen iu dcn Gefängnissen, im Gcrichtssaale, auf der Straße zu Tage getreten wären. Oeffentlich wurde dcn Pairs der „Mord" des Mar schalls Ney vorgeworfen. Lange Monate dauerte der Prozeß mit vielen Unter brechungen und Störungen. Erst als die Hälfte der Gefangenen in St. Magie, unter ihnen die Haupträdelsführer G. Cavaignac, Marrast, Guinard ihrer Haft entflohen und das Attentat Morey-Ficschi die Aufmerksamkeit der Nation auf ein anderes Gerichtsdrama lenkte, erfolgte der Richterspruch, der sieben der^^tr. Schuldigen zur Deportation, die übrigen zu Gefängnißstrafen von kürzerer oder längerer Dauer verurtheilte, einige auch in Freiheit setzte. Schon während dieser Vorgänge war cs deutlich zu Tage getreten, daß die Tönung d» republikanische Partei sich in mehrere Fraktionen von sehr verschiedener Richtung getheilt und gespalten hatte. Während die ächten Anhänger republikanischer Staatsformen nur gegen die bestehende Verfassung ankämpften und in einer Umgestaltung des Staatswesens ihr Ziel suchten, schlugen Andere, wie Blaugui, Barbes und Genossen dcn Weg politischer Verschwörungen ein und gründeten Gehcimbünde, („Gesellschaft der Menschenrechte", „Familiengcsellschaft") u. a., die.in viele Sectionen getheilt und über das ganze Land verzweigt von einer obersten Direktion geleitet wurden; Andere, wic Proudhon, erklärten das Eigen- thum für Diebstahl (S. 27) und drohten Krieg gegen alle Besitzenden, oder