1140 L. Neueste Zeitgeschichte in ihrem äußeren Verlause. de» Blick unverwandt nach dem Orient gerichtet. Mit der Pforte wurde das gute Vcrhältniß, das der Kroßvczicr Mahmud Pascha zu begründen gesucht, auch nach dem plötzlichen Sturz dieses Staatsmannes nicht gestört; vielmehr verfolgten die beiden Regierungen in der „bulgarischen Kirchenfrage" die gleiche Politik. Als nämlich der Sultan sich entschloß, trotz des Widerstandes des Pat- riarchen von Constantinopel den Bulgaren eine unabhängige Hierarchie mit einem Exarchen an der Spitze, wie die Nation lange gewünscht, zu gewähren, entschied sich Rußland in dem darüber ausgebrochenen Streit zu Gunsten der selbständige» bulgarischen Kirchenvcrfassung, obwohl es dadurch die Sympathien des gricchi- scheu Patriarchats uud der gcsammten griechisch-katholischen Bevölkerung dcs Orients, die es bisher besessen, cinbüßte oder schwächte. Eine wichtige Berge»' ßernng seines Gebiets erlangte das russische Reich im fernen Osten, als cs die Eroberung des Chauats von Lhiwa, der letzten noch unabhängigen Macht von Turkestan unternahm. Seitdem in den sechziger Jahren Bokhara und Chokand in die Machtsphäre des Moskowiterreichs gebracht worden, war es ein wichtiges Anliegen der Petersburger Regierung, zur Befestigung ihrer Herrschaft in Ccn- tralasien die benachbarten Fürsten- und Nomadenstämme in Abhängigkeit z» bringen, damit sie nicht die Handclswege unterbrächen, den russischen Flücht lingen und Auswanderern, die sich den Lasten und Steuern der Zaren herrscht zu entziehen suchten, eine Zufluchtsstätte gewährten und die Grenzlande unsicher machten. Die Befehlshaber der russischen Militärstationen warteten daher nur eine günstige Gelegenheit ab, um die unruhige räuberische Bevölkerung des im Oxnsgcbict südlich des Aralsees gelegenen schwer zugänglichen Steppenlandcs unter die moskomitische Oberherrschaft zu beugen. Bei Gelegenheit eines Gren',' gefcchtes hatte der Chau des Reiches Chiwa einige russische Unterthanen zu Kc- fangenen gemacht und die Herausgabe verweigert. Dies erklärte Rußland für einen Kriegsfall. Durch Unterwerfung des Fürsten unter die Oberhoheit dcs Zars und durch die Entfaltung der russischen Militärmacht sollte den Barbaren- häuptern Centralnsiens Achtung und Schrecken eingcflößt und zugleich das Reich nach Süden ausgedehnt, der civilisatorischen Mission Rußlands in Mittelasien Vorschub geleistet werden. Zu dem Ende suchte sich die kaiserliche Regierung zunächst mit England zu verständigen, das die Ausdehnung und Befestigung der russischen Herrschaft in jener Gegend, wodurch die Sicherheit seiner ostindischcn Besitzungen bedroht schien, mit Mißtrauen betrachten mußte. Graf Schuwalos! erhielt daher die diplomatische Mission, die englische Regierung zu überzeugen, daß durch die bereits beschlossene Expedition gegen Chiwa die Interessen des britische Indiens nicht gefährdet würden; es liege dabei nur die Absicht zu Grunde, de» räuberischen Grenzfchden zu steuern und den Barbaren zu beweisen, daß »icm Rußlands Macht und Ehre nicht ungestraft verletzen dürfe, auf Eroberung und Annexion sei es keineswegs abgesehen. „Die flüchtigen Sandkörner der Stepps seien zur Errichtung eines Grenzcordons unfähig, zur soliden DemarcationslinU