I. Erstes Lustrum nach dem Frankfurter Frieden. 1139 künftigen Geschlechtern fortdaucrn wird, eben so wie die Waffenbrüderschaft bei der Armeen, welche aus unvergeßlicher Zeit datirt. Ich sehe darin die beste Garantie für den Frieden und die gesetzliche Ordnung in Europa". Auch zu Oesterreich wurden die Beziehungen des Petersburger Cabinets mit der Zeit freundlicher. Die erwähnte Zusammenkunft der drei Monarchen in Berlin sollte der Welt ein Zcugniß geben für das aufrichtige Zusammengehen der drei Groß mächte in allen wichtigen Fragen. Aber diese Gesinnung des Kaisers Alexander fand weder bei der Nation noch bei der Aristokratie Anklang; vielmehr gaben sich auch in Rußland nicht selten die Gefühle der Eifersucht und des Mißtrauens kund, von denen die meisten Nachbarvölker erfüllt waren: das slavische Blut wollte den Vorrang des germanischen nicht anerkennen und gelten lassen. Wir haben in früheren Blättern den verschiedenartigen Charakter des russi- scheu Rcgicrungssystcms unter Kaiser Nicolaus und seinem Sohne kennen gelernt. Rußi-nr. War der Vater dereinst bestrebt, durch aggressive Politik dem Zarenreich eine Art Suprematie in Europa zu verschaffen, so suchte Kaiser Alexander II. durch groß artige Reformen im Innern Rußland auf die Höhe der andern civilisirten Völ ker zu heben und dadurch sein unermeßliches Reich dem übrigen Europa zu nähern und gleichsam einzufügen. Während die Befreiung der Leibeigenen ihren Fort gang hatte und die durch die große Veränderung der socialen und agrarischen Verhältnisse nothwendig gewordenen legislatorischen Arbeiten weiter geführt wur den, legte man zugleich Hand an eine durchgreifende Militärreform, welche die allgemeine Wehrpflicht mit fünfzehnjähriger Dienstzeit und die Aufhebung der Stellvertretung in einer für Rußland passenden Form und Ausdehnung begrün den und die Intelligenz bei der Armee erhöhen sollte. Man vermehrte und ver vollständigte die Eisenbahnen zu wirthschaftlichen und militärischen Zwecken; man nahm eine Umgestaltung des Steuerwesens in Angriff, durch welche die Steuerfreiheit der Privilcgirten aufgehoben und eine größere Ausgleichung unter den Ständen bewirkt werden möchte; man wendete der Verbesserung des Gerichts wesens und Rcchtslebens, der Hebung des Handels und der Industrie, der Volks aufklärung und dem gejammten Unterrichtswesen große Sorgfalt zu. Von Kaiser Alexander II. ging auch die philanthropische Idee aus, die zerstörenden Wirkun gen des Kriegs, die Leiden und Drangsale der Menschheit im mörderischen Kampfe der Staaten durch ein internationales Kriegsvölkcrrecht zu vermindern, z» welchem Zwecke im August und September 1874 ein Congreß von Staats männern und Militärbevollmächtigten in Brüssel die Grundlinien eines europäi schen Völkerrechts in Kriegsfällen festzusctzen bestrebt war. Und wenn auch, wie Wir in dem Abschnitt über England erfahren werden, die Idee nicht vollständig ver wirklicht ward, so blieb doch dem russischen Kaiser der Ruhm, ein Werk der Huma nität angeregt zu haben, das nicht verfehlen wird, segensreiche Früchte zu tragen. Während aber Rußland nach Weste» hin eine Politik des Friedens und Auswärtig- des internationalen Vertrauens und Einverständnisses verfolgte, hielt es zugleich DNgSjug gegen Chlwa. 72*