1138 L. Neueste Zeitgeschichte in ihrem äußeren Verlaufe. in überwältigender Weise dargcthnn. Wenn auch der „Ritter von Pontcuxin", der angcklagt war, den von ihm übernommene» Bau der Lemberg-Czernowitzer Eisenbahn zur eigenen Bereicherung, zu Bestechungen einflußreicher Mitunternch- mer, zu allerlei unredlichen und betrügerischen Manipulationen und Täuschungen mißbraucht zu haben, schließlich durch das Gcschwornengcricht freigcsprochen wurde, weil man fand, daß die ihm zur Last gelegten Beschuldigungen nicht unter die Strafgesetze fielen, so entrollten doch die gerichtlichen Verhandlungen ein düsteres Bild von der durch den Gründungsschwindcl und die gewinnsüch tigen Speculationcn in manchen hochstehenden Gesellschaftskreisen erzeugten laxen Moral und erschlafften Gewissenhaftigkeit. Wie zwei Jahre früher in Folge der erwähnten Untersuchung über Conccssionscrtheilung zu Privatcisenbahncn i» Preußen ein Personenwechsel im Handelsministerium cintrat, so warf auch der Prozeß Ofenheim dunkele Schlagschatten auf die höchsten Bcamtcnkrcise in Wien und führte die Beurlaubung des Handclsministers Ban Hans herbei. Au» diesen und ähnlichen Erscheinungen drängte sich den Menschen das unheim liche Gefühl auf, daß das industrielle Leben und die Handels- und Geschäfts welt an schweren Gebrechen leide, daß Rechtlichkeit, Ehrlichkeit und Moralität bei einem großen Theil der höheren Gesellschaft auf schwacher Grundlage ruhe und daß festere Garantien geschaffen werden müßten gegen die Schwindeleien und die Plusmacherei gewissenloser Gründer, Unternehmer und Spekulanten, weit» der erschütterte Credit in den Handels- und Finanzkrcisen wieder aufgerichtct, Treue und Glauben in die Gcmüther zurückgeführt und die in redlicher Arbeit sich abniühenden mittleren und unteren Volksklassen vor Betrug und Täuschung geschützt und bewahrt werden sollen. d. Rußland. 8a, Al.xandn Die freundschaftliche Gesinnung des Kaisers Alexander gegen Preußen hat "Wilh-in" wesentlich bcigetragen, daß der französisch-deutsche Krieg nicht zu einem europäi- 27. F-bi. schen sich erweiterte. Dies erkannte Kaiser Wilhelm an, als er dem Telcgrann» über die Friedenspräliminarien an den kaiserlichen Neffen in Petersburg die Worte beifügte: „Preußen wird niemals vergessen, daß es Ihnen zu verdanke» ist, wenn der Krieg nicht die äußersten Dimensionen angenommen hat". Dich Gesinnung des Wohlwollens zwischen den Häuptern der beiden Großstaate» dauerte auch nach dein Kriege fort und erhielt einen neue» Ausdruck bei dem D«b,. Mi. Georgs-Ordensfcst in der russischen Hauptstadt, dein Prinz Friedrich Karl und die Spitzen der preußisch-deutschen Armeen beiwohnten. Bei dieser Gelegenheit gab Kaiser Alexander so warme Sympathien gegen den „ältesten Ordensritter' Kaiser Wilhelm und die anwesenden Feldherren kund, daß sich das Ordensfch zu einer deutschen Siegesfeier gestaltete. Ein Trinkspruch Alcxandcr's auf das Wohl des Oheims und der Ordensritter seiner Armee schloß mit den Worten < „Ich wünsche und hoffe, daß die innigste Freundschaft, die uns verbindet, m