1136 L. Neueste Zeitgeschichte in ihrem äußere» Verlaufe. Staat nicht wie früher durch Unterhandlungen mit Rom, sonder» aus eigener Machtvollkommenheit zu regeln. Demgemäß wurden zunächst die Universitäten ihres spezifisch-katholischen Charakters entkleidet und der Ausbreitung der Jesnn Ncobr. 1873. tcnnicderlassungen Schranken gesetzt; dann wurden „Kirchcngesctze" vorbereitet, welche die ungeschmälerte Wahrung der Staatshoheit gegenüber den kirchliche» Organismen durch die Gesetzgebung zum Zweck haben sollten. Trotz der agi' tatarischen Thätigkcit, welche die Geistlichkeit und die klerikale Partei gegen die Vorlagen in Scene setzten, wurden dieselben zu Anfang des folgenden Jahres zur gesetzgeberische» Bcrathmig vorgclcgt. So suchte den» auch in der oster' reichischcn Monarchie der Staat in seine selbständigen Rechte einzutrctcn und sich von den ehernen Banden, womit ihn die Kirche gefesselt hielt, zu befreien. 3m Januar 1874 wurden im cisleithanischen Reichstage die „confessio- ncllcn Gesetze" cingcbracht und nach scharfen Redeschlachten zwischen Liberale» und Ultramontanen in beiden Häusern siegreich durchgeführt und vom Kais" im Mai bestätigt. „Das erste hob das Concordat auch formell auf, das zweite ordnete die Rechtsverhältnisse der klösterlichen Genossenschaften, das dritte die Beiträge aus den Pfründen zum Religionsfonds behufs der Deckung der Bedürfnisse des katholischen Cultus, das vierte brachte Bestimmungen über die gesetzliche Anerkennung der noch nicht gesetzlich anerkannten Religionsgenossen' schäften". Aber der Klerus war mächtig und klug genug, die Ausführung hi»' zuzichcn oder so abzuschwächcn, daß die Gesetze selbst „ein frommer Wunsch der Liberalen" blieben. Die obligatorische Civilehe, über deren Nothwendigkeit alle Gebildeten einig sind, wurde von dem „katholischen Staate" ferngehalten und damit dem Gewissenszwang und der Priestermacht ein weites Feld geöffnet. A wurde die im Anfang des Jahres so hoffnungsreiche Aussicht einigermaßen ver düstert und die gehobene Stimmung der Liberalen stark gedämpft. D°I ..Krach". Auch auf wirthschaftlichem Gebiete hat das Kaiserreich Oesterreich-Ungarn h» st-llung und Jahre 1873 vielfach die Aufmerksamkeit Europas auf sich gezogen. Durch de» ^""'" Ausbruch einer furchtbaren Börsenkrisis, in der Finanzwclt als „Krach" bezeig net, eine Folge des übermäßigen Anschwellens und Ueberwucherns der Spccula- tion und der Sucht nach Rcichthum und Gewinn, sind alle Klaffen des Volkes von schweren Verlusten betroffen und Jammer und Noth in viele Familien gk- tragen worden. Diese Schläge konnten nicht wieder gut gemacht werden durch die „Weltindustricausstellung", die an Großartigkeit Alles übertraf, was in dies" Richtung vorher in London und Paris geleistet worden war. Wie diese Ausstcllu»' gen zu ihrer Zeit durch Belebung des internationalen Verkehrs und durch d» persönliche Begegnung von Fürsten und Staatsmännern die Ideen des Friedens und der Völkerverbrüderung geweckt hatten, so in noch höherem Grade der Wien" Weltmarkt. Sah man doch nicht nur die Glieder der kaiserlichen Familie von Berlin und eine Menge fürstlicher Persönlichkeiten aus den deutschen Landen nach der herrlichen Donaustadt reisen und freundschaftliche Gesinnung nnt de»'