1130 L. Neueste Zeitgeschichte in ihrem äußeren Verlause. auf den Grundlagen der altkirchlichcn Lehren und Ordnungen bcrathcn und ins Werk gesetzt. Selbst der große Scnsatiousprozcß gegen den Grafe» Harry von Arnim, der bei seiner Abberufung von dem Botschaftcramt in Paris mehrere Akten' stücke und Briefschaften der Kanzlei vorcnthalte» und in seine» eigenen Bcsif genommen, war nicht ohne allen Zusammenhang mit den Zerwürfnissen und Conflikten zwischen Staat und Kirche. Der Graf, ein alter Genosst der Kreuzzeitungspartci und mit der Politik des ihm früher befreundeten Reichs kanzlcrs gegen Roni und Versailles nicht mehr einverstanden, hatte den Verdat erweckt, daß er von den vorcnthaltenen Schriftstücken einen dem Ministerpräsi denten nachthciligcn Gebrauch machen wolle. Nahe verwandt mit Savigny, der, obwohl Abkömmling einer um des Glaubens willen einst aus Frankreich an-- gewanderten Hugcnottenfamilie, aus persönlichen und religiösen Gründen der Centrumspartei sich «»geschlossen, scheint Arnim, wenn gleich evangelischer Con- fession, der katholisch-feudalcii Camarilla angehört zu haben, welche der herr schenden Berliner Politik eine andere Richtung zu geben bemüht war und in hohen Kreisen einflußreiche Gönner hatte. Wie leicht konnte sich das von La- marmora gegebene Beispiel indiscreter Veröffentlichung amtlicher Urkunde» wiederholen! Von dein Auswärtigen Amte vor dem Berliner Stadtgericht des Vergehens angeklagt, Aktenstücke der Gesandtschaftskanzlei in Paris an sich gebracht und trotz ergangener Aufforderung nicht vollständig abgeliefert z» 4- cA. haben, wurde Graf Arnim in Untersuchungshaft genommen und nach länge«» aufregenden Gerichtsverhandlungen zu einer dreimonatlichen Gefängnißstrasi verurlheilt. Die bei der Gelegenheit veröffentlichten diplomatischen Depesche» erregten in ganz Europa die größte Aufmerksamkeit und warfen manche interes sante Streiflichter auf das geschichtliche Leben der jüngsten Vergangenheit, gäbe» aber auch einen neuen Beweis von der großartigen Behandlung der Politik vo» Seiten des Reichskanzlers und seinem genialen Geiste. Er durfte der öffent lichen Meinung kühn das Urthcil überlassen; denn das Auswärtige Amt i» Berlin „hat saubere Wäsche". Um so mehr wurde das deutsche Volk im Anfänge des neuen Jahres durch die Gerüchte beunruhigt: der Fürst gedenke sich seiner tA erschütterten Gesundheit halber von den Staatsgcschäften zurückzuziche», gerade in einem Momente, da der Papst durch die schon erwähnte neue Encyclica n» Frbr. 1875. hierokraüschen Geiste des Mittelalters das Rechtsgebict des Staates anzugreifen, die katholischen Unterthemen offen zum Ungehorsam gegen die Gesetze aufzuso« dem wagte! ' 2. Oesterreich und Rußland. L. Oesterreich. Der Nation». . '"°«-«ampf In den Wiener Hofkreisen und der hohen Aristokratie trug man be: Aue- Hohmwar? bruch des Krieges große Neigung, mit Frankreich Hand in Hand zu gehen, und