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I. Erstes Lustrum nach dem Frankfurter Frieden. 1127 Nation keinen Nachhall habe. Wenn in den Zeiten des Bundestages der Libe ralismus stets auf Minderung der Militärlast gedrungen und dadurch seine Popularität erhalten hatte, so stellte sich jetzt ein anderes Bild dar: das national liberale Bürgerthum nahm entschieden Partei für die Armee; es wollte die Militärmacht in ihrer Organisation und Stärke gesichert und sie vor dem zu fälligen Votum seiner eigenen Vertreter gesetzlich geschützt sehen. Diese Wahr nehmung brachte manchen Reichsbotcn zum Entschluß, das Prinzip der jährlichen Budgctbewilligung in der Militärsache nicht auf die Spitze zu treiben, nicht in doktrinärem Eigensinn einen neuen Conflikt über das Reich zu bringen. Mau wünschte nach Erneuerung der Sitzungen zu einem Austrag, zu einer Verstän digung mit der Regierung zu gelangen, „da jetzt die Zeit nicht sei, wo der neue deutsche Staat einen Conflikt zwischen seiner Regierung und dem Reichstage auf dem Gebiete der Hceresverfasiung vertragen könne". Dieser Stimmung gab der Abgeordnete v. Bennigsen Ausdruck, indem er im Einverständniß mit vielen seiner Parteigenossen einen Compromißvorschlag einbrachte, dahin lautend: die Festsetzung des Fricdcnspräsenzstandcs der Armee durch ein Gesetz, verbunden mit der jährlich zu bestimmenden Ausgabesumme des Kricgsctats im Budget, solle angenommen werden, aber nur für einen begrenzten Zeitraum von sieben Jahren. Zwei Strömungen, bemerkte er im Eingang, durchzögen die Nation und die Reichsversammlung: „die eine Strömung geht davon aus, daß es vor allen Dingen erforderlich ist, die Integrität und Sicherheit unseres Staatswesens nach Außen zu verbürgen und darauf hin die Grundlage unserer Armeeverfassung unerschütterlich und dauernd fcstzustellen. Die andere Richtung geht von den jenigen Rechten aus, welche einer Volksvertretung in jedem constitutionellen Staatswesen unaufhörlich beiwohnen müssen. Wären die Gegensätze in diesem Falle unvereinbare, so würde ich sagen: die Rechte der Volksvertretung bei der Bewilligung im Budget, selbst bei den größten Summen, für die Armee müssen zurncktreten gegen die Frage der Sicherheit und der Integrität unseres Staates nach Außen". Da der Bundesbevollmächtigte, Kriegsminister v. Kameke, Namens der verbündeten Rcgiernngen die Erklärung abgab, daß man auf das Amendement Bennigsen einzugehen bereit sei, so wurde schließlich das ganze Gesetz über die Hecresorganisation mit großer Majorität angenommen, ein^AM. militärisches Septennat als Seitcnstück zu dem Regierungs-Scptennat in Frank- reich. Doch setzte es noch viele parlamentarische Kämpfe ab, sowohl von Seiten^' des Centrums und der Socialdemokraten, welche eine Verkürzung der Dienstzeit verlangten, als von Seiten der Fortschrittspartei, welche niit Ausnahme von Löwe-Calbc und wenigen andern Mitgliedern, an dem constitutionellen Prinzip festhalten zu müssen glaubten, ehe die Entscheidung getroffen ward. Die Frei- conservativen, an ihrer Spitze Graf Bethusy-Huc, versuchten einen andern Aus weg, indem sie neben der Maximalpräsenz von 401,659 Mann eine Durch- schnittsfriedcnspräsenz von 384,000 Mann aufstellen wollten, so daß das parla-