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1126 L. Neueste Zeitgeschichte i» ihrem äußere» Verlaufe. Erlaß einer anderweitige» gesetzlichen Bestimmung auf 401,659 Mann, mit Ausschluß der Einjährig-Freiwilligen festgesetzt war und zugleich die ganze Ci»' richtung und organische Gliederung der Armee intakt bleiben sollte, so war die parlamentarische Mitwirkung nicht viel niehr als Schein, die Vorlegung des Militär-Etat mit de» Nachweisungen der Einnahmen und Ausgaben nur ein Ast der Höflichkeit und Achtung von Seiten der Regierung. Es war daher natürlich- daß die Gesetzesvorlage heftigen Widerstand fand, sowohl weil sie der Nation eine schwere Last aufbürdctc, als weil sie das Dudgetrecht zu einer Form herab' würdigte,'mithin den Vorwurf der Opposition, daß die Regierungspartei de» „Militarismus" und den „Schcinconstitutionalismus" befördere, zu rechtfertige» schien. „Eine dauernde Feststellung der Fricdcnspräsenzstärkc vernichtet das Budget in seinem Kerne", führte der Abgeordnete Lasker aus, „indem sie dessen praktische Ausübung beschränkt auf die Fälle nothwcndig werdender Mchrbewilligungc», da bei den materiellen Ausgaben für das Heer (Löhnung, Bekleidung, Nahrung des Soldaten) zwar wohl eine Kritik, kaum aber eine wirksame Abmiuderung möglich ist, sobald einmal die Ziffer der Soldaten feststeht, für die solche Be dürfnisse bewilligt werden müssen". Vergebens bewies Moltke, dem bei der Cr- krankung des Reichskanzlers die Verthcidigung der Regierungsvorlage in erster Linie überlasten blieb, daß eine Militärmacht in der vorgeschlagenen Höhe z»r Erhaltung des Reiches in seiner errungenen Stellung, wie zur Sicherung des europäischen Friedens nothwendig sei; daß man den lebenskräftigen Fortbestand des deutschen Heeres in seiner bewährten Organisation nicht alle Jahre de» Schwankungen der Budgetdebatten aussetzen dürfe; vergebens wurde von anderer Seite geltend gemacht, mit der Heeresbewilligung verhalte es sich wie mit der Steuerbewilligung; das Recht einer unbedingten Steuerverweigerung könne prak tisch nie in Anwendung kommen, weil es den Staat selbst bedrohe; ebenso wnrdc das dem Reichstage zustehcnde Recht, die Präsenzstärke periodisch zu bewilligen >» der Hand einer reichstreuen Mehrheit eine leere Form, in der Hand der Gegner eine Gefahr für das Vaterland sein; die Opposition war eine so weitgehende, dass wenig Aussicht zur Durchführung des Entwurfs sich öffuete. Schon sprach der Kaiser den Generalen, die ihm bei seinem Geburtstage ihre Glückwünsche dar- n. Mä^ brachten, die Bekümmcrniß aus, daß über der Armee-Organisation, die sei» eigenstes Werk sei, um deren Durchführung er vier Jahre lang so schwer gerungen, jetzt nachdem sich dieselbe doch wiederholt als zweckmäßig bewährt, wiederum „eim Krisis" zu schweben scheine. DaS militä« rische Sep- tennat. Die Frage war noch unentschieden, als der Reichstag über die Ostern Ferien machte. Diese gaben den Abgeordneten Gelegenheit, sich über die Bolks- stimmung Aufklärung zu verschaffen. Und da konnten sie denn überall wahr nehmen, daß die öffentliche Meinung der Wiederholung eines Conflictes im innersten Grund der Seele abgeneigt war, daß die Opposition durchaus bei der