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I. Erstes Lustruin nach dem Frankfurter Frieden. 1123 spruchs, die nicht nur im Heerlager des Positivismus und der Ztrenggläubig- kcit, sondern auch in den liberalen Kreisen laut wurden, jene weil sie zu große, diese weil sie zu geringe Zugeständnisse an den Geist der Zeit darin fanden, konn ten als Beweis gellen, daß man bei der Festsetzung der Rechte und Competcnzcn der Wahlkörper wie der Versammlungen eine gerechte und billige Ausgleichung der verschiedenen Richtungen zu erzielen bestrebt war, daß man einerseits nicht den Boden der Kirchlichkeit, nicht die Grenzen des christlichen Glaubcnskrciscs und der christlichen Sitte verlassen, andererseits nicht dulden wollte, daß man mit dem Maßstab eines engherzigen Confessionalismus und kleinlicher Glaubens- richtcrci die christliche Menschheit in Schafe und Böcke scheide, mit einem dogma tischen Gradmesser Gerechte und Ungerechte stemple. Der Hauptzweck war, „daß durch diese von der Vertretung der Einzclgcmeinde zur Kreissynodc, von der Kreissynode zur Provinzialsynode aufstcigende geschlossene Reihe von Vertretungs körpern die evangelische Kirche Preußens zur Selbstverwaltung und eigenen Lebensbethätigung in höherem Maße als bisher befähigt, ja, wenn man will, wohltätigst gcnöthigt werde". Die Durchführung dieser Gemeinde- und Syno- dalorduung, verbunden mit dem neuen Gesetz über die Führung der Standes- bücher durch weltliche Beamte und über die bürgerliche Form der Eheschließung (obligatorische Civilehe), die Strafverfügungen gegen die Vilmarianischcn Geist lichen in Hessen, welche ihre particularistisch-politische Opposition unter dem Deck mantel orthodoxer Kirchlichkeit verbergend mit mückenseigendem Pharisäismus ihr zartes religiöses Gewissen nicht dahin bringen konnten, das von der preußi schen Regierung eingesetzte Eesammtconsistorium anzuerkenncn, gaben Zeugniß von dem festen Entschluß der Regierung, auf allen Lebensgebieten die sittlichen Aufgaben des modernen Staats zu erfüllen, die Autorität der Gesetze und die einer größeren nationalen Einigung und Concentration zustrebende Zeitrichtung zu fördern. Nicht auf eine Gleichmachung und Uniformirung aller öffentlichen Lebensthätigkeiten und Organe war es abgesehen, sondern auf Zusannuenfassen des Einzellebens unter die höhere Staats- und Reichsidee. Alle lebenskräftigen Organe sollten fortbcstehen und fortwirken in dem ihnen zugetheilten Kreise, aber in Harmonie mit dem Ganzen, mit der nationalen Gesammtwohlfahrt. Der deutsche Reichstag wurde am 5. Februar von dem Reichskanzler er- D-r R-.ch^z öffnet. Der Kaiser, schon längere Zeit unwohl, hatte sich bei Gelegenheit der >87?"'^' Beerdigung der in Dresden am 14. December 1873 verstorbenen verwittweten Königin Elisabeth seine neue Erkältung zugezogcn. Auch der bisherige Präsi dent Simson war durch Krankheit zurückgehalten. An seiner Stelle wählte das Haus den geschäftskundigen Präsidenten des preußischen Abgeordnetenhauses v. Forckenbeck zum Vorsitzenden. Keiner der früheren Reichstage war von so großer Bedeutung für die Ausgestaltung des neuen staatlichen Organismus, theils weil zum erstenmal auch das Rcichslaud Clsaß-Lothriugcu mit sechzehn Abgeord neten vertreten war, theils weil wichtige Fragen zur Entscheidung vorlagen, theils 71'