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1114 ü. Neueste Zeitgeschichte in ihrem äußeren Verlaufe. staatlicher Lehranstalten anhalten wollte. Dieser lautete: „Lin geistliches Amt, welch» Art cS auch sein möge, darf in einer der christlichen Kirchen nur einem Deutschen üb»' tragen werden, welcher seine wisscnschastliche Vorbildung nach den Vorschriften dicht Gesetzes dargethan hat und gegen dessen Anstellung kein Einspruch von der StaatSregi» rang erhoben worden ist. Zur Bekleidung eine» geistlichen Amtes ist die Ablegung d» Entlassungsprüfung auf einem deutschen Gymnasium, die Zurücklegung eincS drcijäh' rigen theologischen Studiums auf einer deutschen StaatSunivcrsität, sowie die Ablcgun- einer wissenschaftlichen Staatsprüfung erforderlich, bei welch letzterer vorzugsweise au! die für den geistlichen Beruf nothwcndigc allgemeine wissenschaftliche Bildung (Philo' sophie, Geschichte, deutsche Literatur, klassische Sprachen) gesehen wird. Alle kirchlich» Anstalten, welche zur Vorbildung von Geistlichen dienen, stehen nach Hausordnung und Lehrplan unter Aufsicht dcS StaatS u. s. w. Knabenseminare und KnabenconvicN dürfen nicht mehr errichtet und in den bestehenden Anstalten dieser Art dürfen M neuen Zöglinge mehr ausgenommen werden". Jede Pfarrstellc sollte innerhalb einei Jahres besetzt und der vom Bischof Ernannte der Staatsbehörde zuvor angezeigt werden Bismm-k unr Die meisten der in den Vorlagen enthaltenen Bestimmungen waren i" gM- nn manchen andern Staaten von jeher in Geltung, ohne daß die Geistlichkeit daran Anstoß genommen hatte. Jetzt aber galt es, die Selbständigkeit und Unab' hängigkeit, welche die katholische Kirche in früheren Jahren der Regierung!" Preußen abgerungen, zu wahren, die Grundbedingungen zu erhalten, auf de»» die ultramontane Hierarchie ihren Machtbau aufgeführt hatte. Wie sollte st sich einem königlichen Gerichtshöfe für kirchliche Angelegenheiten fügen, von dessen elf Mitgliedern der Präsident und mindestens fünf Räthe dem Richterstandc an' gehören mußten und der auf Grund der Staatsgesetze bei beharrlichem Wider' stände bis zur Amtsentsetzuug eines Bischofs vorgehen durfte? Im Abgcord' neteuhause erlangten die Vorlagen eine bedeutende Majorität, wie sehr auch dar Centrum und seine Alliirten über Vergewaltigung der Kirche durch den Staat sich ereiferten; aber im Herrenhause mußte der Reichskanzler selbst seine ganz* Persönlichkeit und seine imposante Beredsamkeit einsetzcn, um die klerikalen nst feudalen Gegner zu überwältigen. Die vorliegende Frage, bewies er, sei ei>N Machtfrage zwischen Staat und Kirche, zwischen Königthum und Priesterthuini schon seit dem Mittelalter sei das Streben des Papstes und der Ultramontan» dahin gegangen, auch über den Staat die Herrschaft zu erringen; deshalb hätte" sie mit Hülfe der Franzosen das Hcldengeschlccht der Hohenstaufen gestürzt ust den letzten Sprossen auf das Schaffst gebracht. Auch in Deutschland wm^ man von ähnlichen „Thaten Gottes durch die Frauken" zu erzählen haben, wäre der Krieg anders ausgefallen. Das Papstthum sei eine politische Macht, wcl^ die Unterwerfung der weltlichen Gewalt unter die geistliche als ihr Progrann" ausgestellt habe; seine Ueberzeugung aber gehe dahin, daß im Reiche dies» Welt dem Staate auch das Vorrecht und der Vortritt gebühre. Endlich erlang' ten, nachdem die Berathung der Verschleppung durch die feudale Commissi"" entzogen und vor das Plenum gebracht war, auch im Herrenhause die Entwürfe die Stimmenmehrheit und wurden, nachdem sie vom Kaiser bestätigt worden-