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1108 L. Neueste Zeitgeschichte in ihre», äußeren Verlaufe. von allen Seiten Petitionen an den Reichstag gelangten, daß dein Treiben deS Jesuitenordens, welcher das neue Dogma von der Allgewalt und Jnfallibilüät des Papstes mit allen Mitteln zur Geltung zu bringen suchte, durch die Gesetz- gebung ein Dam»! entgegeugeworfcu werden möchte i daß inan gegen diesen Gencralstab der „streitenden Kirche", welcher seit den Tagen seiner Gründung das friedliche Zusammenleben der Confessioncn zu störe» beflissen sei, einen energi schen Schlag führe. Und so wurde denn trotz aller Gegenbcmühungcn der Cen- 'S'lAr trumsfraction der Antrag angenommen , die verbündeten Regierungen möchten einen Gesetzentwurf vorlegen, „welcher auf Grund des Artikels 4 der Rcichsver- fassuug die rechtliche Stellung der religiösen Orden, Congrcgationen und Ge nossenschaften, die Frage ihrer Zulassung und deren Bedingungen regele, so wie die staatsgefährliche Thätigkeit derselben, namentlich der Gesellschaft Jesu, unter Strafe stelle." Nach längeren Verhandlungen mit dem Bundesrath kam denn s. Jun. auch ein Gesetz zu Stande und erhielt die Bestätigung des Kaisers, kraft dessen alle Jesuitenniederlassungcn bei Ablauf des Jahres geschlossen und aufgehoben, die Mitglieder der Gesellschaft aus Deutschland ausgewiesen und der Thätigkeit des Ordens in jeder Form und Gestalt innerhalb des deutschen Reichs ein Ende gemacht werden sollte. Es herrschte dabei vor Allem der Zweck vor, den jesuiti schen Lehranstalten, die unabhängig vom Staat die Jugend in einseitig kirch lichem Geiste erzogen und mit Fanatismus füllten, ihre Thätigkeit für die Zu kunft abzuschnciden. Die Ausführung dieses Gesetzes in Preußen, Baiern, Hessen war die Antwort des Staats auf die Veröffentlichung der vaticanischen Dccrete von Seiten der Bischöfe ohne Crlaubniß und zum Theil wider das aus drückliche Verbot der Regierungen mit Androhung der Ezcommunication und anderer Gewaltmittel gegen alle Ungehorsamen. Binnen Jahresfrist waren die zahlreichen Niederlassungen des Ordens innerhalb des ganzen Gebiets des deut schen Reichs aufgehoben und die Glieder desselben genöthigt, außerhalb Deutsch lands ein neues Feld ihrer Thätigkeit zu suche». R'ginnng»' Indem der Staat die eifrigsten Diener und Werkzeuge der päpstlichen All- b'uchöfüch- gewalt über die Grenzen wies, zeigte er den festen Willen, innerhalb seines Be- reiches keinen Organismus zu dulden, der seine Gebote und Verhaltungsregeln von einer fremden Autorität, von einer andern Souveränetät als Kaiser und Reich empfange: es war die Kriegserklärung des modernen Staats gegen das niittelalterigc Papalsystem. Der Geistlichkeit sollte fühlbar gemacht werden, daß man nicht zweien Herren zugleich dienen könne; daß die Souveränetät des Ge setzes für alle Staatsangehörigen gleiche Kraft und Geltung haben müsse. Die Kirche dagegen in ihren hierarchischen Gewalten bestand auch ihrerseits auf ihrer Autorität über alle Gläubigen, verlangte auch für ihre Gesetze unbedingten Ge horsam. Wer diesen versage, sollte als ein ungesundes Glied von der religiösen Gemeinschaft ausgeschlossen werden und nicht blos der kirchlichen Gnadennüttcl verlustig gehen, sondern auch aller der Rechte und Vortheile, welche den An-